Der Spielleiter bei der Premiere: Eine Innenansicht

Beitragsbilder: Irina Schmitz

Da stehen wir wieder, verschwitzt, nervös im Kreis. Auf der Bühne, auf der es gleich losgehen wird. Die Spieler und wir nehmen uns an die Hand. Puls hoch. Miene angespannt. Zeit für emotionale Ansprachen und ToiToiToi-Rufe. Für Außenstehende vielleicht ein leicht verwirrendes Szenario, für uns immer wieder eine Freude: es ist wieder Premiere! Am Samstag war es endlich soweit, wir durften aktiv ins Geschehen der laufenden Maskerade in Düsseldorf eingreifen.11076031_10206223753654908_182827146_n

Als Spielleiter für uns ein ganz besonderer Tag. Aber was geht in einem Spielleiter vor, bei der Premiere? Eine Menge Anspannung. Wochen-, nein, monatelanges Proben, Inszenieren, Üben, Spielen, Sprechen, Diskutieren, Ausprobieren sind vergangen. Innerhalb dieser Zeit entstand mit den Spielern zusammen ein neues Theaterstück, das am Samstag zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Niemand zuvor hat es gesehen. Und dann beginnt man sich natürlich zu fragen: Wird unsere Arbeit den Leuten gefallen? Werden sie verstehen, was wir ausdrücken wollen? Werden sie es mögen? Wird alles gut gehen? Oder werden Fehler passieren? Wenn ja, kann man sie vielleicht vorausahnen und die Spieler darauf vorbereiten? Ist alles besorgt? Alle Requisiten und Kostüme vor Ort? Ist das Licht eingerichtet? Sound gecheckt? Diese Fragen stammen alle aus einem Fragenpool, der noch viel größer und ausführlicher ist und uns am Tag der Premiere (und teilweise auch Wochen zuvor, sogar manchmal nachts im Traum) begleiten.11072345_10206223753814912_1744592107_n

Und dann geht es los. Oder nein, stopp! Stoooopp! Die Uhr zeigt schon 16:40 Uhr, um 17:00 Uhr ist Beginn. Die Technik ist noch nicht fertig, die Bühne noch nicht abgegangen, auch haben wir zu Premieren unsere Rituale, die wir noch durchführen wollen. Panik macht sich breit. Sogar unsere sonst so ruhigen Techniker wurden etwas nervös: wir schaffen den Zeitplan nicht!

Dann die Erleichterung „Wir haben Euch noch 15 Minuten mehr verschafft“, hieß es dann glücklicherweise von der Festivalleitung. Puh! Glück gehabt. Die Nerven liegen trotzdem blank. Und dann geht es los.11062984_10206223752974891_122911354_n

Das Publikum betritt den Saal. Die Spieler warten gespannt hinter der Bühne auf den Beginn des Stückes, wir begrüßen die Zuschauer, schütteln Hände, grinsen über beide Ohren. Die Mimik soll zeigen: Wir haben alles im Griff und freuen uns. Hinter der Fassade aber ständig: Haben wir an alles gedacht? Wird’s gut gehen? Alle nehmen Platz. Auch wir. Das Saallicht wird heruntergefahren. Jetzt geht’s los. Wir haben das Stück in die Hände der Spieler übergeben. Es liegt nun in den Händen der Jugendlichen, wir können nichts mehr machen. Die Erfahrung zeigt: Müssen wir auch nicht. Wir stellen immer wieder begeistert fest, mit welch erwachsenen Jungschauspielern wir da arbeiten. Und trotzdem ist es wie der Nervenkitzel vor einer Achterbahnfahrt mit 17 Loopings: Du gibst ab, verlässt dich drauf, dass alles stimmt. Herzrasen, der Puls geht hoch, man will es genießen aber innerlich zerreißt einen die Anspannung.

Doch am Ende bringen die Spieler das Ding wieder souverän über die Bühne. Das Publikum reagiert, lacht, vereinzelt Szenenapplaus, bei ernsten Szenen wird es still. Hin und wieder gucken wir uns an: War das jetzt laut und deutlich genug gesprochen? Hat das jeder verstanden? Doch das Stück scheint anzukommen. Wir sind überrascht von den Reaktionen des Publikums, aber das ist nichts neues. Schon vor der Premiere haben wir das Stück in zweistelliger höhe gesehen. Betriebsblindheit macht sich breit.

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Langsam werden auch wir ruhiger. Auch wir können zum ersten Mal an diesem Tag entspannen. Und genießen. Aber was genau genießen wir? Das Stück, die Spieler und vor allen Dingen, die glänzenden Augen. Die entstehen bei den Spielerinnen und Spielern dann, wenn sie sich am Ende des Stückes ihren Applaus abholen. Was mögen die Jugendlichen jetzt denken? Hoffentlich so etwas wie: Cool! Hat alles geklappt. Unser Stück (mit der Betonung auf „unser“) mit unserer Message, mit unseren Ideen kam an. Das ist toll! Wir lieben Theater. Und wenn wir ehrlich sind: manchmal muss man auch ein Tränchen verdrücken, egal ob vor Stolz oder weil einfach in dem Moment einem eine ganze Gebirgskette vom Herzen fällt. Denn dieser Moment, wenn ein Stück zu Ende gespielt ist, das Publikum klatscht, man aber aufgrund der tief ins Gesicht leuchtenden Scheinwerfer gar nicht genau erkennen kann, wer denn da alles klatscht, ist wie ein Rausch. Glücksgefühle. Für Spieler und auch für Spielleiter. Dann sollen wir zwei auch noch auf die Bühne. Es gibt Blumen, Sekt und Schokolade. Wir freuen uns, sind ehrlich gesagt etwas überfordert. Aber das Publikum klatscht weiter. Wir genießen es und freuen uns. Innerlich ein Wechselbad der Gefühle. Ein toller Tag. Aber irgendwie ist es auch gut so, dass nicht jeden Tag Premiere ist. Theater olé!

Übrigens: wer mag, kann sich den Inhalt des Stückes und unsere weiteren Termine unter www.noname-theater.de ansehen und rumkommen.

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