Fotos: Franz Zöhren
Letztens saßen wir nichtsahnend in einem italienische Speisen nach dem Fast-Casual-Prinzip anbietenden Restaurant in Köln-Deutz, knabberten an unserer wenig liebevoll zubereiteten Pizza und trafen dann ganz plötzlich Franz Zöhren, tätig unter anderem im Jugendtheater. Schnell finden wir mit ihm da natürlich einen gemeinsamen Nenner.
Franz erzählte uns von seiner Arbeit, seiner seit 25 Jahren existierenden Theatergruppe Comic On!, davon, was diese sich auf die Fahne geschrieben hat und lud uns prompt ein, einfach mal vorbeizuschauen. Gesagt, getan: Zu sehen gab es die Generalprobe des Stückes Rausgemobbt 2.0. In einem kleinen Hinterhof-Probenraum in Köln-Nippes nahmen wir Platz und ließen uns ziemlich schnell mitreißen.
Doch zuvor: Was genau macht Comic On! ?
Die Theatergruppe beschreibt ihre Arbeit selber als Präventionstheater. Sie geht hauptsächlich an Schulen und spielt ihre selbstgeschriebenen Stücke vor Schülerinnen und Schülern verschiedener Altersstufen. Wie Franz Zöhren selber sagt, sind sie es eher nicht gewöhnt, in Theatern mit roten Samtsitzen zu spielen. Comic On! fühlt sich wohl in den Turnhallen, Aulenund Foyers deutscher Schulen.
Präventionstheater ist mehr als Theater vor Schülern. Wir alle kennen das aus eigener Erfahrung. Von irgendwoher wird eine Theatergruppe eingeflogen, spielt Shakespeare um das Englisch der Schüler zu verbessern oder Schillers Don Carlos, damit wir sehen, was ein klassisches Drama ist oder Büchners Leonce und Lena um… ja warum eigentlich? Theater vor Schülerinnen und Schülern ist immereine ganz besondere Herausforderung. Funktionieren die Stücke, sind sie die dankbarsten Zuschauer. Funktionieren sie nicht, gehen die Spieler durch die Hölle. Comic On! verbucht nun seit 25 Jahren Erfolge mit einem einfachen wie genialen Konzept: Schülerinnen und Schüler erreicht man natürlich nur auf Ebenen, auf denen man sie auch abholen kann.
Prävention, was heißt das? „Eine Vorsorge, durch die man etwas Schlimmes zu verhindern versucht“. So steht es im Wörterbuch. In professionellen Theaterinszenierungen versucht die Gruppe den Jugendlichen die Probleme ihrer Zeit nahezubringen. Auf der Homepage der Gruppe ist zu lesen, dass es zu Anfangszeiten enormes Aufklärungspotenzial zu den Themen Sexualität und Aids, Drogenmissbrauch, Gleichberechtigung, Konfliktlösung, Zivilcourage, Kindesmissbrauch, Umweltschutz und Demokratieschulung gab. Dies sind durchweg zeitlose Themenfelder, damals wie heute. Hinzu kommt ein Wandel der Gesellschaft. Was in den Neunzigern noch Hänselei hieß, ist heute Mobbing. Was in den Neunzigern noch ein Telefon (vielleicht mit Wählscheibe) war, ist heute ein Smartphone. Kommt das zusammen, kommt es zu einer fiesen Mischung: Cybermobbing. Auch dieses hochaktuelle Thema reiht sich ein in die bereits bearbeiteten Felder und gibt sich die Klinke in die Hand mit Themen wie Neuen Medien, Pubertät und dem daraus resultierenden „Sexting“. Der Leser merkt schnell: Themen, über die es unsere Jugendlichen aufzuklären gilt, gibt es zu viele. Schulen, die in Zeiten von G8 gerade so den Lehrplan durchboxen können, können diese Aufgabe nicht übernehmen.
Und hier kommen nun Franz und seine Schauspieler ins Spiel. Comic On! kommt an Schulen und legt den Finger in die Wunde. Ohne zu retuschieren werden die Probleme der heutigen Jugend im Stück gezeigt und im Anschluss mit den pädagogisch geschulten Schauspielern in einer Diskussion mit den Schülern besprochen.
Doch wie genau erreicht man Schüler? Wir haben ausreichend Stücke gesehen, die die Handschrift empathieloser Theatermacher trugen, bei den Schülern eher Fremdschämen verursachten als sie wirklich berührten: Eine zwei Zöpfe tragende Mittvierzigerin mit aufgemalten Sommersprossen zu ihrem Mitspieler: Klaus, der Mann hat mir seinen Penis gezeigt [Blick ins Publikum, Hände sich fragend hoch in die Luft geworfen]: Was soll ich nur tun? – Schon für uns in der Grundschule ungewollt urkomisch und den Zweck bei weitem nicht erfüllend.
Doch wie geht’s richtig? Wie so oft macht’s eben die Mischung: professionelles Schauspiel, aber nie von oben herab sondern auf Augenhöhe der Schüler. Demonstrieren können wir das am Beispiel von Rausgemobbt 2.0.
Die Geschichte ist schnell erzählt. Der 16jährige Jess kommt erneut auf eine neue Schule. Es wirkt nicht so, als sei er ein Problemkind, gerät er aber oft an die falschen Leute. Daher beschließt er, sich an der neuen Schule aus allem herauszuhalten. Dennoch trifft er auf die Vanessa, die durchweg auf teure Kleider und Handtaschen abfährt und fast schon notorisch überall klimpernden Schmuck trägt. Sie hat das Sagen an der Schule, die Fäden in der Hand und den Anspruch, jeden Jungen, an dessen Seite sie gut aussieht, ins Bett zu kriegen. Daneben steht Chris, von Vanessa von oben herab (wirklich, vom Podest aus) Freak genannt, im Schlabberoutfit, das Äußere zählt nicht, ihr Zuhause ist die virtuelle Welt, in die sich auch Jess gerne begibt. Der Konflikt liegt also auf der Hand: Jess steht zwischen zwei Welten, der der Gucci-Bling-Vanessa, die ihm schöne Augen macht (was ihm ganz gut gefällt) und der von Chris, die überaus sympathisch ist, aber auch ein bisschen „nerdy“, wie Jess es seinem Kumpel während des PC-Zockens über den Teamspeak verrät. Es brodelt schnell, auf Facebook werden Videos veröffentlicht, die da nicht hingehören und das End ist nicht wirklich happy.
Mit ganz einfachen Mitteln, einem Vorhang, einem Bühnenpodest mit kurzem Laufsteg, einer mehrseitig verwendbaren Rollwand, ein paar Scheinwerfern und passend gewählter, der Stimmung jederzeit entsprechender Musik, performt die Gruppe ihre Stücke. Die Schauspieler und Schauspielerinnen kennen ihr Handwerk, sind noch jung genug um sich mit ihren Rollen und den Problemen der Jugendlichen identifizieren zu können. Wir selber haben den Ernstfall der an das Stück anschließenden Diskussion nicht miterlebt, bei der Generalprobe wurde hierauf natürlich verzichtet. Dennoch kann man sich ausmalen, wie wichtig diese Nachbesprechung ist, besonders für die jungen Leute.
Wir können aus Erfahrung sagen, dass Theaterstücke, besonders jene mit solcher Thematik, nicht unbesprochen im Raum stehen gelassen werden dürfen. Comic On! nimmt sich 45 Minuten Zeit für die Diskussion und begegnet die Schülern eben dort, wo sie abgeholt worden sind: Auf Augenhöhe.
Wer mehr über Comic On! wissen möchte, besucht einfach die virtuellen Präsenzen der Gruppe: http://www.comic-on.de oder http://www.facebook.com/comicontheater.
Unter Theatergruppen, die an Schulen gehen und meinen, etwas für die Schüler Wertvolles aufzuführen, gibt es viele Scharlatane. Bei Comic On! können wir ruhigen Gewissens behaupten: Das ist nicht der Fall. Sowohl Arbeitsweise, als auch die Themenauswahl, als auch die beteiligten Personen haben, neben der Begeisterung für das Theater ganz sicher nur ein Ziel: Schüler aufklären, Jugendliche schützen, Kindern die Welt ein Stück näher bringen. Unser Fazit: Theater toll, pädagogisch wertvoll!
Ein Gedanke zu “Halt mal dein Gesicht in meine Faust – Präventionstheater ist notwendig!”