Den lautesten oder leisesten Moment des Stückes einfangen: Theaterfotografie

„Klein, aber oho.“ Das haben wir am vergangenen Wochenende öfter gesagt. Auf eines jeden Kunstfreundes To-Do-Liste des Lebens steht ja doch irgendwie die Teilnahme an einer Vernissage im chiquen Dress, dazu ein Glas Sekt und Fingerfood. Dann Kunst gucken, vor der Kunst stehen, kritisch die Stirn in Falten legen und über den Kinnbart streichen. Hinter dieses Ereignis können wir nun ein Häkchen setzen.  Wir waren eingeladen zur Ausstellungseröffnung des Theaterfotografie-Workshops von Jürgen M. Wogirz, der seit 2012 fester Bestandteil der Festivalreihe play it again des Düsseldorfer Theatermuseums ist. Sekt und Snacks gab’s. Eine tolle Ausstellung ebenfalls. Kritisch gucken mussten wir nicht. Aber gestaunt haben wir. Aber der Reihe nach:

Wer das Theatermuseum nicht kennt, stelle sich ein im barocken Stil errichtetes, kleines überschaubares rosa Gebäude vor. Für Kenner: Das Hofgärtnerhaus. Hierin sind nicht nur Dauer- und Wanderexponate untergebracht, die dem Besucher die (historische) Entwicklung des Theaters nahebringen, auch eine Studiobühne, ein Café und ganz viel Raum für Phantasie, den auch wir immer wieder gerne besuchen. Ein Ort zum wohlfühlen eben. Gerade von der Studiobühne geht eine besondere Magie aus. Sowohl für die Zuschauer als auch für die Darsteller herrscht Kuschelklima. Die Tribüne steht ohne Rampengrenze direkt bündig mit der Bühne. Welches Stück man auch immer sieht: Die Darsteller sitzen auf dem Schoß, man ist sehr direkt am Geschehen, fast schon irgendwie immersives Theater.

Jürgen M. Wogirz

Und hier haben der Fotograf Jürgen M. Wogirz und die drei Teilnehmerinnen seines Theaterfotografie-Workshops, Andrea Rossmanith, Marina Rasschaert, Nora Krause mal wieder etwas Einmaliges geschaffen:  Ein ganzes Jahr lang besuchten die vier Fotografen die Gastspiele des Theatermuseums, setzten sich in die Vorstellung und hatten die Kamera stets im Anschlag. Eine Infotafel zur Ausstellung betont ein besonderes Merkmal: Es gibt für die Fotografen im Vorfeld der Aufführungen keine Probenversuche. Die Stücke werden direkt während der Aufführungen fotografiert. Für den einen oder anderen Fotografen sicherlich eine Horror-Vorstellung, nicht zu wissen, welches Licht auf ihn oder sie wartet. Und dann verändern diese Theatermacher das auch noch während der Performance und halten ganz sicher auch nicht still. Eine besondere Herausforderung also und wir haben uns nun angesehen, ob der Workshop diese gemeistert hat.

Um die Spannung direkt herauszunehmen: Natürlich haben sie das geschafft. Die Ausstellung besteht „nur“ aus circa 20 Fotografien, anschaulich arrangiert in einem Ausstellungsraum des Theatermuseums. Und doch hätten wir gerne Stunden lang vor den Fotos gestanden. Einige der abgelichteten Stücke haben wir selber gesehen, eines sogar selbst erarbeitet und da ist man schon irgendwie Stolz, Teil dieses Ganzen zu sein und grinst über beide Ohren. Jürgen Wogirz und Andrea Rossmanith sagen, es werde viel gestaunt, die Motive springen den Betrachter an. Und das stimmt. Eigentlich lebt ein Theaterstück größtenteils von seiner Dynamik, vom Text, der Bewegung, dem Tanz, der Musik. All das bietet das Bild nicht. Das Bild kann aber etwas anderes: Die Phantasie anregen. Obwohl sich nichts bewegt: Den Fotografen und Fotografinnen ist es bei jedem ihrer Ausstellungsstücke gelungen, einen Moment der totalen Spannung und Dynamik des Stückes einzufangen. Ein Theaterstück im Bilderrahmen quasi. Andrea freut sich besonders, wenn die Zuschauer vor den Bildern stehen bleiben und sich einfach erinnern. Und das macht tatsächlich vieles aus. Ein Theaterstück hat man eigentlich nach seinen 60 Minuten Laufzeit bald wieder vergessen. Jürgen spricht hierzu interessante Worte: Er versucht bei der Theaterfotografie immer die eindrucksvollsten, lautesten oder leisesten Momente einzufangen. Und das klappt: Die Fotos wecken die Erinnerung an das Gesehene, manchmal so intensiv, dass man das Stück wieder sehen, hören, gar riechen kann.

 

Für die Fotografen bedeutet Theater nicht nur einfach wunderbare Unterhaltung, sie genießen es, wenn es sie den Alltag vergessen lässt. Das mag jetzt etwas esoterisch klingen, aber diese Energie spürt man auch in den Fotos. Vollkommene Fixierung auf das Stück, die Gedanken sind frei. Und das macht aus der Fotografie für Andrea, die eigentlich Krankenkassenbetriebswirtin ist ein spannendes Hobby, für Jürgen, auch hauptberuflich Fotograf und eigentlich Workshop-gebend auch häufig in New York City oder auf Mallorca unterwegs, einen spannenden Beruf aus.

Entspannen kann Andrea beim Sport oder bei der Musik, sie spielt selbst Keyboard in einem kleinen Orchester der VHS, Jürgen genießt am liebsten New York (ohne Kamera!). So ist es wohl doch nur ein Mythos, dass Fotografen ständig eine Kamera dabei haben müssen um nicht das perfekte Motiv zu verpassen.

 

Wir hoffen aber doch, dass die Kamera künftig auf jeden Fall bei den noch kommenden Theaterstücken im Theatermuseum wieder im Anschlag steckt, damit wir auch nächstes Jahr wieder zur Vernissage kommen. In chique. Mit Sekt. Und Snacks!

Die Ausstellung des Theaterfotografie-Workshops enthält unter anderem Fotos der Stücke All Blood under the Bridge, Looters e.V. (Düsseldorf), Höre deutlich Herz pumpt Blut, EinEuro Ensemble (Köln), Von der Kugel, die uns dreht, no.name (Grevenbroich), König Lear, poco*mania (Grevenbroich) und wird noch über die Düsseldorfer Nacht der Museen am 9./10. April und wahrscheinlich noch bis in den Mai hinein zu sehen sein. Klare Empfehlung: Vorbeischauen und verzaubern lassen!

 

Das Theatermuseum findet Ihr an der Jägerhofstraße 1, 40479, Düsseldorf. Weitere Infos zum Museum findet Ihr auf der Internetpräsenz des Theatermuseums und weiteres zum Theaterfotografie-Workshop erfragt Ihr am besten beim Chef selbst, denn er verriet uns, dass es – eigene Spiegelreflexkamera vorausgesetzt – wieder einen freien Platz im Workshop gibt: juergen_m_wogirz@gmx.net

2 Gedanken zu “Den lautesten oder leisesten Moment des Stückes einfangen: Theaterfotografie

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