„Fertig.Los.“, so heißt die Eigenproduktion der Theaterwerkstatt des Westfalenkollegs Dortmund. Der Titel ist erst einmal sehr vage. Wir alle kennen es, auf Los geht’s los, ein Rennen beginnt oder ein Wettbewerb, ein sportlicher Kampf oder ein Spiel. Doch all das wollten die acht Spielerinnen und Spieler nicht zeigen, sie wollten einen Neubeginn einläuten.
Schon als wir den Saal betreten sehen wir ein spärliches Bühnenbild: zwei Bühnenpodeste auf denen die acht Darsteller, den Kopf gesenkt, sitzen. Daneben acht alte Weinkisten. Von der Decke hängen Thera-Bänder, sehr flexible und dehnbare Bänder. Am Anfang sah es allerdings aus als hätte man zu große Fliegenfänger aufgehangen. Und dann geht es los. Die acht Spieler heben die Köpfe und sprechen einige Sätze aus Samuel Becketts Theaterstück Warten auf Godot. Doch warten die Spieler wirklich? Am Anfang macht es den Anschein, immer wieder wiederholen sie Passagen wie „Was sollen wir jetzt machen?“ „Wir warten.“ „Ach ja.“ „Ist das schwer!“ „Wollen wir nicht was singen?“ „Nein.“
Doch wo ist der Aufbruch? Einige versuchen ihn herbeizuführen in dem sie sagen „Komm wir gehen.“, doch man wird gebremst, man ist unsicher. Der Aufbruch, der Neuanfang den man irgendwo herbeisehnt scheint ein unüberwindbares Hindernis zu werden. Mit Hilfe des Liedes Hänschen Klein will man sich lösen, denn auch Hänschen Klein zog in die weite Welt hinein. Und dann geht alles ganz schnell, Musik, die an Karneval in Rio erinnert setzt ein, es wird getanzt, choreographische Elemente zeigen ein sich ständiges Präsentieren und Weggeschoben werden, doch mit der Zeit feuert man sich gegenseitig an, man zeigt was man kann, man motiviert sich gegenseitig, doch motiviert man sich auch für den Neuanfang, sieht er so aus?
Im Verlaufe des Stückes wird ein Charakter namens Carlos ins Spiel gebracht. Carlos ist nicht auf der Bühne, Carlos sitzt im Publikum. Carlos ist irgendwie ein bisschen in jedem von uns, denn Carlos kommt einfach nicht aus dem Quark. Später setzt sich einer der Spieler sogar beim angesprochenen Zuschauer im Publikum auf den Schoß, hält ihm einen Vortrag, es wird gelacht, doch der Hintergrund ist eher vorwurfsvoll.
Und dann gab es noch eine Szene, eine Schlägerei. Sollte die Schlägerei der sinnbildliche Befreiungsschlag sein, den man sich verpasst, hatte die Schlägerei einen rassistischen Hintergrund (den es wurde zunächst ein Spieler mit ausländischen Wurzeln geschlagen) oder sollten die Schläge und Tritte einen Tritt sich zu bewegen darstellen? Anzusehen war es schön, doch so ganz klar geworden ist es uns nicht. Klarer war vorher, dass man mit etwas anfangen müsse, so die Spieler. Sie hielten Reden, zum Teil in ihren Muttersprachen, doch auch wenn man nicht alles verstand sah man, dass sie Appelle aussprachen, sei es für banale Dinge wie Gartenzwerge oder für große Taten. Man soll einfach mal den Hintern hochbekommen.
Und dann geht es noch um den Lebenszenit, über diesen wird lange gesprochen, sehr lange. Ob der eigene Zenit schon vorbei ist, ob er nicht gerade läuft und nur sehr flach verläuft, alles Fragen, die man sich auch selbst stellen sollte. Ist der Zenit schon mit 30 oder doch erst mit 60 überschritten? Ab wann geht es nur noch abwärts? Oder kann man danach noch einen Neuanfang wagen? Gibt es nur einen Zenit? Fragen über Fragen, das Wort Zenit fällt sehr oft, das Publikum soll sich seine eigene Meinung über seinen eigenen Zenit bilden.
Gegen Ende des Stückes gab es noch mehr Musik. „Heute hier morgen dort“ ertönt es von den Spielerinnen und Spielern, ebenfalls ein Lied, welches zum Aufbruch animiert, gibt es doch so viel zu entdecken. Doch vielleicht sollte man auch mal verweilen um an einem Ort einen richtigen Neuanfang zu wagen anstatt immer wieder aufzubrechen. Zum Ende gab es noch einmal Musik, es wird „Alles nur geträumt“ gesungen, also doch kein Neubeginn? Nun, so soll jeder selbst entscheiden ob man nur vom Neubeginn träumt oder ihn auch wagt oder vielleicht auch nur träumt, dass man ihn gewagt hätte.
Uns hat das Stück nachdenklich gemacht. Es gab einiges zu sehen, sicher haben wir nicht alles verstanden, doch das Stück lässt viel Raum für eigene Gedanken und Ansätze. Und so fragen wir uns sicher in nächster Zeit öfter ob wir noch auf dem rechten Weg sind oder ob es nicht besser wäre mal einen Neuanfang zu wagen.