Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)
Beitragsbild: Alexandra Kaschirina | LVR-ZMB
Man kann es nicht anders sagen: das Theater gehört in die Schule! Damit ist unser Standpunkt direkt klar. Selbst sind wir immer wieder mit dem Theater in unserer Schulzeit in Berührung gekommen und es hat uns geprägt! Im Theater lernt man nicht für die Bühne, sondern fürs Leben. Ein perfektes Schulfach, das also auch in jedes Schulprogramm passt. Sollte man meinen. Doch die Auftaktveranstaltung der Bildungspartner NRW zeigt, dass noch viel Arbeit vor allen Beteiligten liegt, auch wenn dies ein erster Schritt in die richtige Richtung sein soll.
Die Institution „Bildungspartner NRW“ baut seit 2005 ein Netzwerk in verschiedenen Bereichen aus, um es Schulen und externen Institutionen zu erleichtern eine Bildungspartnerschaft einzugehen. Einige existierende Initiativen sind beispielsweise „Museum und Schule“, „Archiv und Schule“ oder „Natur und Schule“. Die neueste Initiative trägt, wie sollte der Name für Kooperationen im Theater treffender sein, den Titel „Bühne und Schule“. Ziel ist es das Theater an die Schulen zu bringen, es Schulen aber auch ermöglichen, das Theater außerhalb ihrer eigenen Räumlichkeiten wahrzunehmen. Es sollen langfristige Partnerschaften geschlossen werden, außerdem werden gemeinsame Ziele gesetzt, die beidseitig unterschrieben und umgesetzt werden sollen. So sollen kulturelle Angebote besser in den Kommunen verankert werden, der Grundstein für kulturelle Bildung soll in der Schule gelegt werden und auch die Erschließung von neuen Zielgruppen steht im Vordergrund.
Doch wir müssen kurz stoppen. Haben wir nicht eben noch davon gesprochen das Theater als Schulfach zu integrieren? Und nun sprechen wir doch wieder über eine Art Projektarbeit, die es in verschiedensten Formen (z.B. „Kultur und Schule“ oder über Partnerschaften mit lokalen Theatern, wie sie beispielsweise auch in Neuss am Rheinischen Landestheater mit Schulen geschlossen wird) bereits gibt. Wir legen die Stirn in Falten und lauschen weiter aufmerksam den Ausführungen der geladenen Gäste.

Die Ministerin für Wissenschaft und Kultur des Bundeslandes NRW Isabel Pfeiffer-Poensgen hat definitiv Recht, als sie am Anfang die Frage stellt: „Warum erst jetzt?“. Im Rahmen der Podiumsdiskussion hebt sie hervor, dass andere Bundesländer in dieser Entwicklung schon viel weiter sind. Eigentlich eine traurige Feststellung für das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands, vor allem weil das Theater hier fest verankert ist: Großstädte sind richtige Ballungsgebiete von Theatern, egal ob große Häuser oder kleine Kellertheater. Einige Schulen haben eine lange Theatertradition und selbst Festivals, wie das „Westwind“, das Landesschultheatertreffen „Maulhelden“ oder die „Mülheimer Theatertage NRW“ sind längst nicht mehr aus der Theaterlandschaft NRW wegzudenken. Und doch bekommen wir es in diesem Land nicht hin das Theater als wichtige Basis für die kulturelle Bildung und als persönlichkeitsentwickelnde Basis anzuerkennen. Längst haben Konzepte, wie der bewegte Unterricht Einzug in die Schulen gehalten und von dort ist es nur noch ein kleiner Schritt hin zu ersten kleinen Theaterarbeiten.
Doch die Problematik fängt nicht in den Schulen an, die Problematik fängt in der Lehrerausbildung an, wie Prof. Dr. Kristin Westphal von der Universität Koblenz unter Applaus in der Podiumsdiskussion festhält. Lehrer werden in ihren Fächern ausgebildet, doch selten bis nie kann man auch einen entsprechenden Kurs für Theater (bzw. Darstellen und Gestalten, Szenisches Spiel, Literatur, Namen gibt es viele) belegen und eine konkrete Ausbildung im Studium erhalten. Stattdessen müssen Lehrer über ihre Schule einen einjährigen Zertifikatskurs belegen, um sich weiterzubilden, doch die Zeit (und sicherlich auch die Lust) hat nicht jeder hierzu. Und so bleibt es dabei, dass man vielleicht mal im Englischstudium beim Thema Shakespeare ein Seminar belegen kann, wo man lernt sich selbst mit den Mitteln des Theaters an den Text heranzuarbeiten, aber auch das ist von Uni zu Uni unterschiedlich.

„Wir sind an dem Punkt, an dem wir in Strukturen hineingehen müssen“, so Prof. Dr. Westphal weiter, auch hierfür bekommt sie weiteren Applaus. Ihrer Meinung nach seien Künstler und Schulen in den 80ern stecken geblieben, längst sind die Gegebenheiten, unter denen man heute zusammenarbeiten sollte, andere. „Wenn Kunst auf Schule trifft läuft das nicht immer ganz reibungslos.“ heißt es weiter. Aus eigener Erfahrung können wir dies bestätigen, denn oftmals wird man von Ansprechpartner zu Ansprechpartner geschickt, um am Ende Unterlagen per Post zu versenden, die dann doch wieder in irgendeiner Schulablage landen und am Ende sogar im Müll. Auch die Schulen seien gefordert, darin sind sich die anwesenden Gäste einig. Es könne nicht sein, dass man den Künstlern die ganze Arbeit überlasse, sowohl in der Planung, als auch in der Durchführung. Es sollte immer eine Zusammenarbeit stattfinden.
Und auch das Theater im ländlichen Raum wird thematisiert, denn wofür vielen immer noch das Verständnis fehlt ist, dass es eben auch Schulen gibt, die keine gute Anbindung an die nächsten Städte haben, geschweige denn an das nächste Theater. Da wird ein Theaterbesuch schnell zu einem (kostspieligen) Ganztagsausflug. Und so bleibt die kulturelle Bildung zum Teil ganz auf der Strecke, auch weil das Fachpersonal vor Ort fehlt. Ein Teufelskreis, der sich an dieser Stelle schließt, denn nun kommen wir wieder bei der eigentlichen Lehrerausbildung an. Und dennoch gibt es Künstlerinnen und Künstler oder auch Theaterhäuser, die bereit sind die Fahrten ins Ländliche aufzunehmen, Theaterbesuche zu koordinieren und vor Ort mit den Schülerinnen und Schülern zu arbeiten. Doch auch diese Menschen müssen von etwas leben. Als am Ende der Auftaktveranstaltung die Frage nach der Finanzierung aufkommt muss Christiane Bröckling, Geschäftsführerin der Bildungspartner NRW, zugeben, dass diese auch über eine Bildungspartnerschaft nicht geleistet werden kann. Hierfür müsse man sich wieder an den üblichen Töpfen bedienen, bzw. Gelder beantragen.

Nach einigen Vorträgen dürfen wir noch einer kurzen Vorführung der dritten Klasse der Grundschule „Loreleystraße“ Köln beiwohnen. Und obwohl die Kleinen erst im Juni Premiere feiern, sehen die Anwesenden in der Comedia eine Leistung, die noch einmal unterstreicht, was Theater in der Persönlichkeitsentwicklung bewirken kann. Den Zuschauern präsentieren sich selbstbewusste Kinder, die natürlich an einigen Stellen etwas unkoordiniert (sicherlich auch wegen der Aufregung) sind, aber dennoch vor Spielfreude strotzen. Auf die Nachfrage, warum die Kleinen denn schon Theater spielen ist die simple Antwort: „Es macht Spaß zu spielen!“ Im Anschluss folgen dann noch einige Workshops und viele spannende Gespräche mit anderen Teilnehmern.
Am Ende des Tages ist das Urteil schnell gefällt: die Fachtagung insgesamt war eine lohnende Veranstaltung, auch die Bildungspartnerschaft ist insgesamt ein guter Ansatz zur weiteren Förderung des Theaters an der Schule. Allerdings, das müssen wir auch zugeben, ist am Ende nicht mehr viel übrig vom Ehrgeiz das Theater als Unterrichtsfach an die Schulen zu bringen. Letztendlich sehen wir uns doch wieder mit Kooperationen konfrontiert, die im ersten Schritt wahrscheinlich nur den Theatern in Zusammenarbeit mit den Schulen helfen. Gerade Künstler aus der freien Szene müssen (leider) immer zuerst schauen, wie solche Kooperationen auch finanziell gedeckelt werden und da heißt es weiterhin: Anträge schreiben, Klinken bei Stiftungen und eventuellen Sponsoren putzen. Dennoch hoffen wir, dass man hier weiter aktiv bleibt und auch solche Hürden in naher Zukunft genommen werden. Wir würden es uns wünschen.