Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)
Es ist Oktober, draußen wird es wieder früher dunkel und Halloween klopft an die Tür. Horror-Fans aller Art freuen sich über Veranstaltungen, bei denen sie wieder mal auf ihre Kosten kommen. Das FreAkademy Haunted House könnte ein solches Event sein. Doch dieses Gruselkabinett möchte nicht nur unterhalten und verstören, dieses immersive Theatererlebnis will auch auf Missstände hinweisen. Doch wie ist Regisseur Nicolas Folz zu dieser Idee gekommen, woher kommt seine Freude am Gruseln und was erwartet uns in der neuesten Inszenierung der Freakademy?
Er kommt gebürtig aus dem Saarland und ist in einer sehr ländlichen Gegend aufgewachsen. Den Weg zur Bühne hat er über Gesang und Tanz und im speziellen der Arbeit mit Choreographien gefunden. Eine Theater-AG konnte er zur Schulzeit leider nicht belegen, dennoch hat ihn die Bühne immer gereizt. So hat er sich vor einigen Jahren auf gut Glück in Köln beworben und wurde an der Theaterakademie genommen, wo er inzwischen im vorletzten Semester seiner vierjährigen Ausbildung zum Schauspieler angelangt ist. Und schon mit 16 Jahren hat er sein erstes Gruselkabinett organisiert. „Es hat angefangen als ich 12 war, da habe ich Freunde mit einem Schreibtischstuhl durchs dunkle Zimmer geschoben und dann haben meine Eltern irgendwann gesagt, das sei zu laut. Wir hatten einen relativ großen Garten, da habe ich mir dann Geld zusammengespart und habe mir eine Gartenhütte dahin gesetzt, dann kam ein schwarzes Zelt dazu, dann habe ich einen Waldbereich gemietet, dann einen Steinbruch und dann einen alten Kindergarten und dann bin ich nach Köln gezogen und dachte das sei unmöglich, denn die Preise hier sind einfach utopisch.“

Dass es doch möglich ist, hat Nicolas vor zwei Jahren zum ersten Mal festgestellt, als die Freakademy, wie sich das Ensemble nennt, zum ersten Mal (damals noch in den Räumlichkeiten der Theaterakademie) vorspielte. Nun im dritten Jahr wird das Spektakel im Odonien stattfinden. Mit einer Mischung aus Club und Freilichtatelier ist es ein Ort der Inspiration wie kein anderer. Genau das mache die Location nach Nicolas‘ Meinung zur idealen Spielstätte. Es sei so verwinkelt und es gebe so viele Ecken zu entdecken und damit auch Möglichkeiten zum Verstecken und Erschrecken.
Doch ist die Freakademy nur billiger Trash oder was steckt dahinter? „Es ist wahnsinnig speziell, das Konzept. Es ist für Leute gemacht, die nicht nur zuschauen wollen, sondern die etwas erleben und Teil von etwas sein möchten. Jeder Darsteller ist in seiner Individualität essenziell für die Show und man weiß nie so genau was passieren wird, wenn alle Puzzleteile zu einem Ganzen zusammengefügt werden.“ Es soll mit den Urängsten der Menschen gespielt werden: die Angst vor dem Unvorhergesehenen, die Angst vor Dunkelheit und Enge, die Angst vor zu viel Nähe. Dennoch darf es nach Meinung von Nicolas auch Trash und Comedy geben, denn am Ende soll es natürlich nicht nur darum gehen die Leute zu verstören. Bei der Erarbeitung der Inszenierung haben aber auch aktuelle Themen eine Relevanz: „Es passieren so viele schlimme Sachen. Wenn ich in die Zeitung gucke und die Aneinanderreihung und Formulierungen der Schlagzeilen sehe, ist das teils so verstörend und pervers formuliert, sowas kann sich kein Mensch ausdenken. Trotzdem ist es irgendwie normal. Damit muss man performativ arbeiten können, man muss die düsteren, aber auch skurrilen Geschichten inszenieren […] um eine Möglichkeit zu haben, darüber zu sprechen.“
Dieses Projekt möchte ein Bewusstsein für den natürlichen Sadismus des Menschen und Skandalgeilheit schaffen. Wenn es nach der Freakademy geht erregt man Aufmerksamkeit am besten durch Provokation. Die Art der Darstellung ist abstrakt, düster und anders, kommt aber auch mit einem Augenzwinkern daher. Es kann und soll Gedankengänge anregen, jedoch sollte man es nicht zu ernst nehmen. Unter anderem werden auch Texte von Wüstenstrom genutzt, einer Organisation, die versuchen möchte, Menschen zu bekehren, die homosexuell sind. Das ganze nennt sich dann Konversionstherapie, diese wird auch in Deutschland angeboten.
Inhaltlich wird der Zuschauer Zeuge, bzw. Teil eines sogenannten Psycho-Traumatologie-Instituts. Zu Beginn werden alle Zuschauer gemeinsam starten, danach erfolgt die Aufteilung in Gruppen und man durchläuft fünf Räume. Jede Gruppe wird dabei jeden Raum durchlaufen, manchmal begegnet man sich oder auch nicht. Da das Ensemble auch immer mit dem Unvorhersehbaren spielen muss, entsteht ein Teil der Performance immer erst im Moment des Aufeinandertreffens von Darsteller und Publikum. Die Dauer wird circa anderthalb bis zwei Stunden betragen.
Und welch ein Mammutprojekt die Freakademy ist, zeigt sich bei der Anzahl der involvierten Personen: rund 50 junge Künstlerinnen und Künstler sind am Projekt beteiligt. Da sind natürlich die Proben und die einzuübenden Abläufe sehr komplex: „Die Gruppen sind sich während des Probenprozesses gar nicht begegnet. Sie werden bei den HPs [Hauptproben] das erste Mal aufeinandertreffen, was total verrückt ist, weil alle das Finale gemeinsam spielen sollen. […] Am Ende muss alles laufen wie eine Uhr. Jeder Raum ist ein Zahnrad. Dann ist der eine Raum total laut und der andere total leise“. Nicolas kann von Glück sprechen, dass er nicht alleine arbeitet, begleitet wird er von zwei engen Freunden, die selbst auch ausgebildete Schauspieler sind. Sim Bender und Michelle Wiesemes führen dieses Jahr Regie bei zwei der insgesamt fünf Räume. Die Drei teilen sich auch jegliche Organisation und Koordination zum ersten mal als Team. „Da es bei so einem riesigen Ensemble schonmal chaotisch werden kann, bin ich wahnsinnig dankbar für die Unterstützung. Ohne die beiden wäre eine Realisierung des Projekts nicht möglich gewesen.‘‘
Die finale Choreographie stand zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht und musste noch eingeübt werden: „Das wird wie ein Zumba-Kurs, ich hoffe ohne Regen.“, lacht Nicolas.
Nicolas ist selbst auch Teil der Inszenierung, wenn auch nur mit einer kleinen Rolle. Doch er wollte selbst auch einen kleinen Part zum Erschrecken haben, gerade weil es ihm so viel Freude bereitet. Für ihn ein spannender Spagat, denn er sagt von sich selbst, dass er absolut nicht der geborene Regisseur sei: „Ich kann ein bisschen Support geben, was Energie angeht, aber das konsequente Durchgreifen, das liegt mir eigentlich gar nicht. Das Endprodukt soll aber auch nicht nur aus meinen Vorstellungen bestehen, die persönliche Note von jedem Schauspieler, Musiker, Autor und Künstler ist entscheidend für den Erfolg des Projekts.“ Für ihn steht bereits fest, dass das Horrorkabinett bleiben soll. Sein Fokus im Schauspiel soll aber mehr auf der (Tragik-)Komödie und der Tragödie liegen. In naher Zukunft steht zudem noch ein Kindertheater auf seinem Plan. „Ich möchte auf jeden Fall alles mal ausprobieren“, so Nicolas‘ Fazit.
Wer übrigens am Abend der Vorführung nur Theater und Grusel erwartet, der wird überrascht sein: Neben der eigentlichen Theatervorführung wird es im Eingangsbereich bereits Kunst und Musik zu sehen und zu hören geben. So können die Zuschauer am Anfang auch entspannt ankommen. „Es soll ein Rausch sein, sodass man rausgeht und erst mal gar nicht weiß, was los war und einem die Gedanken dann ein paar Tage später wiederkommen. Das wäre wünschenswert“, so formuliert Nicolas das Ziel der Kollektiv-Performance. Neben der Unterstützung durch Sim Bender und Michelle Wiesemes als inszenierende Kräfte, wird bei diesem Projekt aber noch weiter auf die Marke Eigenbau gesetzt. So ist ein Großteil der genutzten Musik gemeinsam mit Julian Kartmann selbst produziert und auch die Texte der Darsteller*innen sind zum Großteil selbst von den darstellenden oder außenstehenden Künstlern verfasst. Und so soll es eine bunte Darbietung geben, in der der Zuschauer auch mal lachen soll, um sich dann im nächsten Moment wieder zu gruseln. „Mir ist wichtig, dass die Leute mitgezogen werden, dass sie vergessen wie sie gerade reingekommen sind, vergessen wo sie herkamen, das finde ich wichtig an einem Theatererlebnis. Ich möchte, dass es wie ein Freizeitparkbesuch wird, wo man mittendrin ist, und nicht damit rechnet was als nächstes passiert.“

Zum Abschluss noch ein paar Empfehlungen: wetterfest anziehen, wenn es mal ungemütlich wird. Zwar wird der größte Teil drinnen stattfinden, aber es müssen ein paar Strecken draußen zurückgelegt werden. Tickets können noch für alle Termine bestellt werden. Es wird auch darum gebeten, dass man seine Karten reserviert, damit vor Ort alles reibungslos ablaufen kann, denn die Erfahrung der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass plötzlich mehr Leute an die Abendkasse kamen als die Gruppe rundführen konnte und schlussendlich einige wieder nach Hause geschickt wurden. Und als Zuschauer sollte man sich auf das Geschehen vor Ort einlassen.
Und für die Zukunft der Freakademy gibt es auch schon Pläne. Man spielt mit dem Gedanken, angebundene, kleinere Performances im Atelier Artikus zu spielen, um zusätzlich Werbung für das Projekt zu machen und Geld einzusammeln (die Gruppe lebt lediglich von den eigenen Einnahmen und einer Crowd-Funding-Aktion!). Doch Nicolas‘ großer Traum ist eine Art Festival, das gleichzeitig an verschiedenen Standorten stattfindet. Live-Schaltungen, Live-Musik, eine Art Shuttle, womit man zwischen verschiedenen Locations pendeln kann. Natürlich weiß auch Nicolas, dass dies noch Zukunftsmusik ist und bis dahin viel Arbeit vor ihm liegt, doch das wäre sein großer Traum. Wir werden die Entwicklung in jedem Fall weiter aufmerksam beobachten und sind jetzt erst mal auf die Premiere gespannt, für die wir allen Beteiligten die Daumen drücken.
Wer sich noch über die Termine, sowie über die Gruppe informieren will, dem können wir die Instagramseite und die Facebookseite der Gruppe ans Herz legen oder man besucht direkt die Website des Odonien. Wir werden unsere Eindrücke von der Premiere in jedem Fall zeitnah teilen und sind gespannt, welchen Projekten sich Nicolas noch in Zukunft widmen wird.
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Ein Gedanke zu “Ein Jungregisseur will uns das Gruseln lehren – Nicolas Folz und die Freakademy”