Shutting up since 1997 – Das Vollplaybacktheater

Beitragsbild: Daniela Landwehr
Text: Marius Panitz (marius.panitzt@theaterwg.de)

Wenn es eine Frage gibt, die Schauspieler*innen mit Abstand sicherlich aus den Ohren quillt, ist das diese eine, die die Faust in der Tasche und das Zähneknirschen gleichermaßen hervorruft, diese eine, die sie mit den Augen rollen und laut seufzen lässt, eben diese Frage: Wie kannst du dir nur immer so viel Text merken?

Vermutlich ist nicht das Umschiffen dieser Frage der einzige Grund für das Konzept, das sich ein Wuppertaler Künstlerkollektiv ausdachte, sondern eher die Praktikabilität, das erquickend Neuartige und das gleichsam Nostalgische, das man erhält, wenn man Marijke Amados Mini-Playback-Show, die Tonaufnahmen alter Hörspiel- und Filmklassiker und Theaterzauber miteinander verbindet.

So war es ausgerechnet die kinderzeitliche Einschlafbegleitung par excellence, die Drei Fragezeichen, deren Fall „Das Geheimnis der Särge“ das Vollplaybacktheater (VPT), wie sich die Gruppe fortan nannte, 1997 auf die Bühne brachte, oder eher playbackte, und damit die Zuschauer*innen begeisterte und die Künstler*innen des VPT anspornte, ihr Projekt auszuweiten.

Das Konzept ist simpel und schnell erklärt: Es werden die originalen Tonaufnahmen der Hörbücher genommen, welche mit Aufnahmen anderer Hörspiele oder Filme vermischt werden, sodass eine gänzlich neue Geschichte mit eigener Handlung und neuer Dramaturgie entsteht. Zu den eingespielten Sätzen spielen die Schauspieler*innen und mimen natürlich lippensynchron die passenden Mundbewegungen. Fertig ist ein unterhaltsames Theatererlebnis für jedermann.

Dies waren unser Vorwissen und unsere Erwartungen, mit denen wir uns gestern in das Alte Stahlwerk in Düsseldorf begeben haben, wo die Deutschlandtournee des neuen Stückes Helden der Galaxis des VPT Halt machte und uns die Möglichkeit bot, uns ein eigenes Urteil zu fällen über dieses Phänomen, das die Massen so begeistert.

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Foto: Daniela Landwehr

Die erzählte Geschichte von Helden der Galaxis ist sicherlich gar nicht wirklich das Kernstück der Inszenierung. Irgendwie geht sie so: Eine Die Crew des Raumschiffes „Hurz“ bestehend aus Captain Picard, dem Klingonen Worf, Prinzessin Leia, Captain Future, Chewbacca und Mister Spock nimmt auf einem unbekannten Planeten einen blinden Passagier mit, ein Alien, das ein mächtiges Artefakt seiner Kultur bei sich trägt, hinter dem wiederum ein unglaublich fieses und bis an die Zähne bewaffnetes, weltenzerstörendes Alien her ist, das die Verfolgung der „Hurz“ aufnimmt, um das mächtige Artefakt an sich zu reißen.

So weit so gut. Vermutlich ist es diese Story, die herauskäme, wenn man alle SciFi-Serien und -Filme der vergangenen 60 Jahre zusammenschmelzen würde. Nicht sonderlich spektakulär, es gibt keinen Tiefgang, keine überraschenden Twists und auch die Charaktere sind größtenteils flach angelegt. Doch sind diese Feststellungen der Inszenierung nicht wirklich negativ anzukreiden, denn diese Art des Storytelling spielt dem Konzept des VPT nur in die Karten. Man möchte fast sagen, anders ginge das Konzept gar nicht auf. Denn ein Großteil des Stückes besteht daraus, dass immer wieder neue Charaktere auftauchen, die die Geschichte gar nicht vorwärts bringen sollen sondern lediglich einen äußerst unterhaltsamen Beitrag leisten. Da trifft man Darth Vader im Fitnessraum, in den sich Captain Picard gerne zurückzieht, Alf isst in der Raumschiffskantine eine Katze mit Pommes Frites und Scully und Mulder ermitteln für ihre X-Akten parallel zu den Men in Black, während Vincent Vega und Jules Winnfield aus Pulp Fiction über die Qualität des Quarter Pounder philosophieren.

Man merkt schnell, die Szenen sind eigentlich nur eine Aneinanderreihung aus Film- und Hörspielklassikern, von denen wir hier keine weiteren Beispiele geben wollen, nur das Versprechen in die Hand, dass es noch viele mehr gibt, eines überraschender als das andere.

Und genau hierin liegt die Stärke von Helden der Galaxis. Es sind die originalen Zitate, die da über die Anlage ins Publikum schallen, Zitate aus Filmen oder Hörspielen, mit denen wir nostalgisch etwas verbinden, die wir tief in unserer Erinnerung tragen und die uns an unbeschwerte Zeiten erinnern, dieses wohlige Gefühl, das wir hatten, als wir als Kinder vor dem Einschlafen noch die Drei Fragezeichen gehört, mit Mama und Papa Alf geguckt oder mit Freunden einen Star Wars-Marathon veranstaltet haben. All diese nostalgischen Momente werden vom VPT in einem Rahmen fixiert, der das ist, was am Ende die Handlung gibt, welche allerdings eigentlich völlig außen vor ist. Im Vordergrund steht das Erinnern, das Sympathisieren und das Zelebrieren dieser ikonischen Figuren wie Picard, Vader und Co.

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Foto: Daniela Landwehr

Hervorzuheben ist auch, dass sich das VPT nicht allzu ernst nimmt. Man will bewusst trashig wirken, irgendwie sehen wir eine Hommage an Mel Brooks‘ Spaceballs. Das erkennt man auch visuell. Die Kostüme, Tanzchoreografien sowie das Bühnenbild wirken weniger professionell denn eher mit Liebe geschneidert, einstudiert und zusammengebaut. Bei manchen Sequenzen fühlt man sich wie bei einer Schulaufführung des Oberstufen-Theaterkurses des hiesigen Gymnasiums. Und das ist auch gut so, denn wir haben das Gefühl, das VPT will gar nicht perfekt sein. Die Darsteller wollen nur spielen. Und das tun sie! In ihrer Historie steht geschrieben, „[s]ie spielten Theater zum Playback und wenn das Publikum sie feierte ließen sie sich nach der Show volllaufen.“ Und genau diesen Spieltrieb bringen die sechs Darsteller*innen auf die Bühne und ja, das Publikum feiert sie. Wer hier Goethe, Brecht oder Shakespeare erwartet, wird vermutlich enttäuscht.

Playbacktheater, das klingt erst einmal simpel, man muss ja keinen Text lernen. Doch will gesagt werden, dass die zweistündige Show eine immense Abfolge der unterschiedlichsten Cues und Einsätze ist, es gibt nicht nur den eingespielten Text, zu dem passgenau Mund und Körper bewegt werden, es gibt Soundeffekte, Tanzchoreografien, Lichteinsätze, die alle exakt auf den Punkt beherrscht werden wollen. Besonders bei den zumeist flachen Gags, die während der Show am laufenden Band auf das Publikum niederrasseln, besteht höchste Vermasselungsgefahr, wenn die Punchline nicht sitzt. Sobald hier ein*e Schauspieler*in zögert oder den Einsatz nicht mitbekommt, verliert die Show sofort ihren Zauber. Und dies können wir den Darsteller*innen und Techniker*innen des VPT attestieren: Unter den Theaterensembles sind sie ein Schweizer Uhrwerk, der Zauber ist gegeben.

Somit können wir abschließend sagen, dass die Theaterstücke des VPT für uns etwas gänzlich Neues sind. Theater in dieser Form, die die Technik des Playback nutzt, hier aber die Texte nicht selbst einspricht, sondern sich ikonischer Zitate bedient, ist herrlich erfrischend. Kostüme und Bühnenbild sind weniger professionell denn eher liebevoll, der Humor flach und das Schauspiel ist auf den Punkt. Der Gesamteindruck ist damit ein bunt-trashiger, der besonders den älteren Science Fiction-Fans das Herz aufgehen lässt.

Das Vollplaybacktheater ist noch bis April auf Tour durch Deutschland. Weitere Infos über die Tourdaten, zu den Hintergründen der Gruppe sowie zu Tickets findet Ihr auf der Website der Gruppe.


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