Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)
Beitragsbild: Werner Alderath
Das Theatermuseum in Düsseldorf, für Düsseldorfer*innen gehört es längst zu einer festen Kulturstätte in der Landeshauptstadt, mit seinem charismatischen Sitz im Hofgarten, ist eines der wenigen Theatermuseen in Deutschland. Doch Düsseldorf befindet sich im Wandel, das gilt auch für viele Kulturinstitutionen. Wir trafen Anne Blankenberg, Abteilungsleiterin Bildung und Kommunikation, im Theatermuseum Düsseldorf und redeten mit ihr über die aktuellen Herausforderungen, die geschichtlichen Hintergründe des Hofgärtnerhauses, in welchem das Theatermuseum sitzt und ließen uns erklären, warum Theatermuseen als Ort für Museumstheater oftmals gar nicht geeignet sind.
Museen kennt jeder von uns, meist verbindet man damit Besuche von Ausstellungen, oftmals zur Kunst, Natur oder etwas Historischem. Mit einem Museumsbesuch verbindet auch jeder von uns andere Gefühle, denn leider genießen Museen im digitalen Zeitalter kein großes Ansehen mehr. Doch das Theatermuseum hat diesen Wandel erkannt und versucht mit seinem Angebot immer am Puls der Zeit zu bleiben, wie die aktuelle Ausstellung zeigt, die anlässlich des 50. Jubiläums des Düsseldorfer Schauspielhauses errichtet wurde.

Doch alles der Reihe nach: Das Theatermuseum als Sammlung und Archiv existiert bereits seit 1947, ist also ein paar Jahrzehnte jünger als das älteste und größte Theatermuseum, das Deutsche Theatermuseum in München, welches 1909 eröffnet wurde. Allerdings hat das Hofgärtnerhaus als Räumlichkeit, in welchem das Theatermuseum sich befindet, einige Jahre mehr auf dem Buckel, denn das Gebäude ist von 1769, hat also auch historisch schon einiges miterlebt, wie den Einzug Napoleons in Deutschland, das Deutsche Kaiserreich und die beiden Weltkriege, und musste dadurch auch in Teilen wieder aufgebaut werden, da es besonders im zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde. Hofgärtnerhaus heißt das Gebäude deshalb, weil es in Verbindung zum Schloss Jägerhof und dem Hofgarten steht, damals bewohnte der Hofgärtner diese Gemäuer. Wer dabei genau durch den Eingang des Theatermuseums schaut, erkennt auch, dass die Ausrichtung so gewählt war, dass das Gebäude links und rechts geschlossen war und der jetzige Eingang als Durchgang in den hinteren Teil des Hofgartens fungierte. Von 1872 bis zum 2. Weltkrieg wurde das Gebäude von der Stadtbücherei genutzt und bis 1988 fungierte es als Goethe-Museum. Das Theatermuseum selbst ist dann 1989, von seinem damaligen Standort in der Bilker Straße ins Hofgärtnerhaus umgezogen, wo es sich noch heute befindet. Räumlich steht das Theatermuseum nun wieder kurz vor einer Veränderung, denn vor einigen Jahren wurde der Umzug ins sogenannte KAP, das alte Postgebäude am Hauptbahnhof beschlossen, also in die Räumlichkeiten, in welche auch das FFT und die Zentralbibliothek ziehen. Was allerdings nicht jeder weiß ist, dass das Theatermuseum noch einen zweiten Standort in der Merowingerstraße hat. Dort befindet sich das Archiv mit ca. zwei Millionen (!) Objekten. Viele kennen es aus dem Privaten und so ist es auch im Theatermuseum, denn mit den Jahren sammelt sich einiges an Objekten an, darunter: Theaterfotos, Aufzeichnungen von Inszenierungen, einige Kostüme und sogar einige technische Objekte. Dabei hat das Museum zum Teil Bestände von Düsseldorfer Schauspielhaus oder von der Oper übernommen oder es wurden dem Theatermuseum Objekte von Schauspieler*innen oder Privatpersonen vermacht. So entstand mit den Jahren eine enorme Sammlung, mit der man einige Ausstellungen füllen könnte. Besonders bei den Filmen und Bildern sollen in den nächsten Jahren die Inhalte nach und nach digitalisiert werden. Leider, so Anne Blankenberg, dürfe man gerade die Theateraufzeichnungen nicht in eine Online-Mediathek stellen und die Inhalte veröffentlichen, was nutzungsrechtliche Gründe hat. Dennoch, so Blankenberg, könne man sich in der sogenannten d’kult-Datenbank der Stadt Düsseldorf im Netz informieren ob es Filme oder Materialien zu bestimmten Produktionen oder Themen gebe, um sie dann vor Ort einsehen oder ausleihen zu können. So komme es auch immer wieder, dass Theatermacher*innen oder Theaterwissenschaftler*innen Anfragen schicken, um das Material für ihre Arbeit sichten zu dürfen.

Personell ist das Theatermuseum überschaubar aufgestellt: Anne Blankenberg ist aktuell die einzige Theaterwissenschaftlerin. Weiterhin gibt es zwei Bibliothekarinnen, sowie eine Veranstaltungskauffrau, einen Hausmeister, Kolleginnen und Kollegen in der Presseabteilung, sowie Servicekräfte für die Kasse und eine Museumsleitung. Die pädagogischen Angebote werden von Honorarkräften abgedeckt, mit denen das Theatermuseum zusammenarbeitet und die nach Bedarf angefordert, bzw. mit denen entsprechende Projekte im Vorfeld geplant und besprochen werden.
Der Typus des Theatermuseums entstammt der Erkenntnis aus dem letzten und vorletzten Jahrhundert, als Schauspieler*innen erkannten, dass ihr Nachlass nicht gesichert ist: „Was bleibt, wenn sie nicht mehr da sind? Das war die Zeit als die Theaterfotografie erst begann und von den damaligen Schauspieler*innen nicht viel übrig blieb, außer dass es noch ein paar Jahre Mund-zu-Mund-Gespräche gibt, und ihr Ruhm weitergetragen wird, aber die nachfolgende Generation wusste in der Regel nicht mehr, wer sie waren.“, erklärt uns Anne Blankenberg. Und so setzten sich damals das Schauspielerehepaar Luise Dumont und Gustav Lindemann in Düsseldorf für die Errichtung eines Archivs ein: „Es war den beiden aber auch wichtig, dass nicht nur ihre Persönlichkeiten im Vordergrund stehen, sondern es auch um das Nutzbarmachen von Theatermaterial geht.“, so Blankenberg. Es sollte ein Archiv entstehen, dass für die Theaterkunst steht und an sie als Schauspielpaar erinnert.
Doch mit der Zeit erkannte auch das Theatermuseum, dass ein rein musealer Ansatz nicht von Dauer sein kann. Einerseits befanden sich zum Jahrtausendwechsel zunehmend die modernen Medien, wie das Internet, sowie erste soziale Netzwerke oder Online-Enzyklopädien, wie Wikipedia zunehmend auf dem Vormarsch, andererseits wurde klar: Theater ist eine aktive Kunst. „Wie will ich einem Kind eine historische Ausstellung über das Theater in Düsseldorf erklären, wenn sie noch nie ein Theatererlebnis hatten und gar nicht verstehen können, was ich ihnen erzähle?“, formuliert Anne Blankenberg ihren Ansatz, den sie in ihrer Arbeit stets verfolgte. So entstand die Idee, als Theatermuseum auch Workshops oder Kooperationen mit Schulen anzubieten, um Kinder und Jugendliche auch an das Theatermachen heranzuführen. Passenderweise entstand 2000 auch die Studiobühne im Theatermuseum, da das Schauspielhaus, in direkter Nachbarschaft, eine Experimentierfläche für Regieassistent*innen suchte. Daraus entstanden letztendlich vier Inszenierungen, die auch aufgeführt, letztendlich aber zu teuer wurden, da mit immer mehr Aufwand und Bühnenbildern gearbeitet wurde. Die Studiobühne ist uns selbst bestens bekannt, deshalb können wir aus eigener Erfahrung sagen, der Platz ist begrenzt, besonders auch da die Sitzreihen an der Bühne sind und die Zuschauer*innen in der ersten Reihe ihre Füße quasi schon auf der Bühne stehen haben. So entschied das Düsseldorfer Schauspielhaus die arbeiten wieder zurück ins eigene Haus zu holen und das Theatermuseum kaufte dem Schauspielhaus die Bühne ab, denn sie war mit Sitzreihen, Tanzboden und Co. ausgestattet und im Prinzip spielfertig. So entstanden mit der Zeit auch Projekte, wie das Play-it-again-Festival, welches damals vom Theatermacher und Kulturmanager Dennis Palmen initiiert wurde. In solchen Formaten wurde es Gruppen mit wenig Aufwand angeboten, sich auf der Studiobühne zu präsentieren. Zudem ist die entstandene Studiobühne zu einem wichtigen Teil in der Düsseldorfer Kulturlandschaft geworden, denn längst ist es bekannt, dass es in der Stadt eine Knappheit an Bühnenraum gibt.

„Wir wollen raus aus den Schulen, es kommen alle Schulen zu uns, weil ich möchte, dass das Theatererlebnis nicht an ein Schulerlebnis gekoppelt ist, sondern die Kinder die anderen Orte in der Stadt kennenlernen.“, beschreibt Blankenberg ihren Ansatz der Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen. So gibt es in den Ferien auch immer wieder Workshop-Angebote, zum Beispiel zum Gesang, Bühnenkampf oder der Sprache. Das größte Projekt in den vergangenen Jahren wurde in Kooperation mit dem Humboldt-Gymnasium erarbeitet. Jeder interessierte Schüler und jede interessierte Schülerin konnten damals mitmachen und zu Frank Wedekinds Frühlingserwachen an einer großen Inszenierung mitarbeiten. Allerdings, so beschreibt Anne Blankenberg das Projekt, ging es weniger um das Stück selbst als mehr um die Themen, die behandelt werden. Es wurden nur vereinzelt Szenen genutzt und den Rest haben die Schüler*innen selbst erarbeitet. „Ich glaube, damit erreichen wir, dass die Kinder eine innere Verbindung zum Theater kriegen.“, findet Blankenberg.
Beim Thema Bindung kommt auch die Frage auf, ob es einfach ist die Menschen an das Haus zu binden. Lachend erklärt uns Anne Blankenberg, dass die Kinder und die ab 40-jährigen dem Haus sehr verbunden seien, doch dazwischen sei es schwierig. Deshalb versuche sie mit ihrer Arbeit auch die Zielgruppe dazwischen zu erreichen, um eine Bindung und ein Interesse am Haus zu wahren. Und es scheint zu funktionieren: „Man merkt, dass der Ort den Düsseldorfern am Herzen liegt, viele kommen und fragen, was mit dem Haus in Zukunft passiert.“ Auch Kinder, die an Workshops teilgenommen haben, kommen oftmals im Nachhinein noch mit ihren Eltern vorbei, um ihnen zu zeigen, in welchen Räumlichkeiten sie gearbeitet haben oder um das Wetter draußen bei einem Getränk zu genießen. „Wir haben sehr viele Besucher, die immer und immer wieder kommen, auch bei den Theateraufführungen.“
Und auch, wenn die räumliche Veränderung des Theatermuseums noch nicht final durchgeplant ist, so sind bereits die nächsten Themen auf den Planungstischen der Verantwortlichen. Beispielsweise soll es 2021 eine Ausstellung in Kooperation mit dem Institut für Medien- und Theaterwissenschaft der Universität zu Köln zum Thema „Juden in Deutschland“ geben. Das Theatermuseum wird sich seinerseits auf das jüdische Theater spezialisieren. „In Anbetracht der gesamten Rassismus-Debatte ein sehr wichtiges Thema, wie wir finden.“, erläutert Blankenberg, was wir nur unterschreiben können. Doch auch die Art der Führungen wird immer wieder hinterfragt: „Wie kriege ich das besondere Theatererlebnis für den Zuschauer, der es nicht kennt, wieder zusammengesetzt?“ ist dabei immer die Leitfrage. „Theater hat für mich immer einen gewissen Grad an Emotionalität, das kann meines Erachtens ein Film nicht eins zu eins wiedergeben.“ Damit spielt sie auch auf die Art von Ausstellung an, es reicht nicht nur einen Film in einer Ausstellung zu zeigen, um Theater lebendig werden zu lassen. Auch das Streamen von Theateraufführungen, das zur Coronapandemie sehr populär geworden ist, sieht sie deshalb eher skeptisch. Besser findet sie es, das Format direkt vor Ort anzupassen: „Ich glaube Museen werden inzwischen auch als eine Form von Unterhaltung wahrgenommen, die wir bedienen müssen.“ So wird beispielsweise überlegt Führungen zukünftig auch mit Schauspieler*innen zu organisieren. Anne Blankenberg könne sich beispielsweise vorstellen, dass die Führung mit einer kurzen Einführung in die Theatergeschichte im Studio beginnt und der Schauspieler oder die Schauspielerin dann auf die aktuelle Ausstellung eingeht und diese quasi bespielt.

Übrigens findet Anne Blankenberg auch, das Kunst- oder Wissenschaftsmuseen es einfacher haben, dass man sie bespielt als das Theatermuseum selbst. Im sogenannten Museumstheater werden Inhalte aus den Museen theatral vermittelt, sprich Methoden aus dem Theater und der Theaterpädagogik werden verwendet, um die Themen aus den Ausstellungen aufzugreifen, aufzuarbeiten, zu verstehen, um dann in eine Szene oder Inszenierung umgesetzt zu werden. „Bei uns hieße das, dass wir uns mit uns selbst beschäftigen, das Theater wird durch das Theater reflektiert.“, gar nicht so einfach, wie Blankenberg findet, aber dennoch ein Ansatz, den sie versuchen möchte in naher Zukunft zu verfolgen.
Zuletzt erfahren wir noch, dass das Theatermuseum eine Zeit lang den Titel Museum für Zuschaukunst trug. Angelehnt ist der Titel an die Idee von Bertolt Brecht, der die Theaterkunst neben die Zuschaukunst gestellt hat. „Es geht darum, dass man das Theatersehen lernen muss.“, findet Anne Blankenberg, „Das bedeutet nicht, weil ich einmal im Theater war, dass ich sofort weiß wie es funktioniert, das hat etwas mit unterschiedlichen Erfahrungen und Prägung zu tun.“, so Blankenberg weiter. So führt sie auch einen Gedanken an, den wir ebenfalls sehr spannend finden, denn sie träumt davon eine Art Oral History Projekt zu initiieren. Das bedeutet, dass die Zuschauer im Mittelpunkt stehen sollen, sie sollen von Theatererlebnissen berichten, von Dingen, die sie geprägt, oder aber auch verstört haben. „Es gibt inzwischen viele Informationen und Biografien über Schauspieler*innen, man erfährt sehr viel, was die Arbeit mit der Person macht, aber es gibt kaum Dokumentationen, was auf der anderen Seite passiert.“, formuliert Blankenberg ihren Ansatz weiter aus. Sie berichtet, dass es in den 80ern bereits einen Ansatz gab, bei welchem Zuschauer*innen verkabelt wurden, um ihre Emotionen aufzuzeichnen, die während der Vorstellung zu Tage kommen, doch der Gedanke wurde nie weiterverfolgt. Auch hier sieht Blankenberg eine Aufgabe eines Museums, den Blick über den Tellerrand zu wagen, um so auch den Betrachtern eine neue Perspektive zu bieten. Einen ähnlichen Ansatz gibt es bereits in der Fotografie, aktuell noch zu sehen in der K20 K21 Kunstsammlung NRW: „Audience“ von Thomas Struth, hier hat der Fotograf den Moment aufgenommen, in welchem Touristen den „David“ von Michelangelo betrachtet haben. So wurden die Betrachter*innen selbst zum Kunstwerk, während sie eines der bekanntesten Kunstwerke betrachteten. Für Interessierte: Minna Wündrich vom Düsseldorfer Schauspielhaus hat sich mit dem Kunstwerk auseinandergesetzt, spannende Gedanken, die zeigen, wie auch Zuschauer*innen Teil der Kunst sein können.

Ideen gibt es ausreichend im Theatermuseum und trotz seiner Geschichte will sich das Theatermuseum immer wieder neu erfinden. Das hat uns Anne Blankenberg im Gespräch ganz deutlich gemacht. Natürlich soll nie die oben erwähnte Grundidee verloren gehen, doch Ziel sei es immer den staubigen Vorurteilen von Museen und auch beim Theater entgegenzuwirken, indem man ins Machen kommt. Sei es, dass Ausstellungen interaktiver oder unterhaltsamer, oder eben Inhalte vorab in Workshops theatral umgesetzt werden. Auf der Website oder der Facebookseite des Theatermuseums kann sich jeder über aktuelle Angebote informieren. Da wir das Haus nun auch schon einige Jahre kennen und schätzen, können wir an dieser Stelle nur viel Erfolg für alle aufkommenden Herausforderungen wünschen. In jedem Fall werden wir verfolgen, wie sich die räumliche Situation entwickelt und welche spannenden Angebote es in Zukunft geben wird und werden natürlich entsprechend darüber berichten.
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