Titelfoto: Michael Borgard
Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)
Mayke Dähn, wer diesen Namen hört oder liest, hat vielleicht nicht direkt ein Gesicht dazu. Doch sobald man ihre Stimme hört, sollte es bundesweit bei den meisten klingeln, denn Mayke war für einige Jahre die Werbestimme für Lidl und in sämtlichen Werbespots im Fernsehen und Radio zu hören. Dabei sah sich Mayke während ihrer Ausbildung zur Schauspielerin immer mehr vor der Kamera statt hinter einem Mikrofron. Wie es dazu kam und weshalb sie dadurch aktuell eher im Vorteil ist? Das hat mir Mayke während unseres Interviews alles erklärt.
Mayke ist 29 Jahre jung und kommt aus Grevenbroich. Grevenwo? Ja, Grevenbroich! Wer die Theater WG schon länger verfolgt, der weiß, dass die kleine Stadt im Rheinland auch unser Heimathafen ist. Umso mehr hat es mich gefreut mit Mayke zu sprechen, denn ihre ersten Theatererfahrungen hat sie eben genau hier in Grevenbroich gemacht: „Ich habe schon Theater gespielt, da konnte ich noch nicht lesen.“ Mit fünf Jahren begann Mayke an der Jugendkunstschule in Grevenbroich Theater zu spielen. Bereits dort sprang der Theatervirus auf sie über und hat sie fortan nicht mehr losgelassen. Nach ihrem Abschluss und Jahren des Theaterspiels in Grevenbroich packte Mayke schließlich ihre Sachen und zog los, bis sie schließlich an der Arturo Schauspielschule in Köln genommen wurde.

An der Arturo wollte Mayke sich ihren Traum erfüllen: Schauspielerin wollte sie werden. Ist sie nun auch, doch wer nach Mayke im Internet sucht, wird sie mindestens genauso oft als Sprecherin finden. „Ich bin nur auf die Schauspielschule gegangen, weil ich ans Theater wollte.“, so Mayke. Doch nach einigen Jahren Berufserfahrung hat sich Maykes Bild etwas gewandelt. Immer hat sie Theater aus Leidenschaft gemacht, doch in ihrer Zeit an den Häusern hat Mayke auch gesehen unter welchen Bedingungen Schauspieler*innen arbeiten müssen. „Man leistet so viel, die Proben sind sehr intensiv und wenn du an einem Landestheater arbeitest, dann bist du noch auf Tour, verbringst viel Zeit im Bus und bist erst nachts zu Hause. Das sollte man nicht unterschätzen.“ Wer sich schon einmal mit Verträgen am Theater auseinandergesetzt hat, weiß auch, dass diese sehr fordernd sind. Aus diesem Grund hat sich Mayke dazu entschieden nicht fest an einem Haus zu arbeiten, sondern lediglich für Gastspiele in Produktionen mitzuwirken.
Gleichzeitig schaffte Mayke sich als Sprecherin ein zweites Standbein. Zum Studium an der Arturo gehörten neben den klassischen Fächern, wie Schauspiel- Sprech- und Gesangsunterricht auch ein Synchronseminar und ein Semester Mikrofonsprechen. Mayke fand die Technik und Umsetzung spannend und war direkt begeistert von dieser Disziplin, vor allem auch, weil man ihr attestierte ein Talent dafür zu haben. Das führte dazu, dass sie sich nach ihrem Abschluss an der Schauspielschule direkt bei Synchronstudios zu bewerben begann. Angefangen hat Mayke zunächst mit kleineren Rollen in Zeichentrick- und Animeserien. Inzwischen spricht sie in der Animeserie Higurashi die Rolle der Mion, bzw. Shion, welche Zwillingsschwestern und zwei Hauptcharaktere in der Serie sind. Immer öfters spricht Mayke auch Hörspiele, beispielsweise für die GEOlino Mini Reihe.
Nun müssen Sprecher*innen sicherlich eine perfekte Aussprache haben, oder? „Natürlich spreche ich nicht feinstes Hochdeutsch, wenn ich entspannt mit Leuten quatsche und ich lisple auch ein wenig, das ist dann eine Übungssache. Üben, üben, üben.“ Wenn Mayke heute Aufnahmen von vor einigen Jahren hört, dann müsse sie über sich selbst lachen. „Man hört, dass ich noch total unerfahren war.“ Doch genau das war damals Maykes Glück, als die Supermarktkette Lidl ihr Werbekonzept überarbeitete und nach einer neuen, frischen Stimme suchte. Mayke sprach vor und bekam den Job. Auch wenn sie nun den Stempel der Lidl-Stimme weghat, bereut sie es nicht diese Chance wahrgenommen zu haben. Sie habe in der Zeit viel gelernt: „Vor allem die Tontechniker waren echt streng mit mir, beispielsweise, wenn ich neunundneunzig gesagt habe, kam oft ‚Was? Neun un neunzig?‘ von den Tontechnikern zurück. Dann musste ich die Aufnahme wiederholen. Rückblickend hat mir das viel gegeben, ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die mir bei heutigen Jobs weiterhelfen.“ Wer allerdings schon mal Theater gespielt hat und Text lernen musste, der weiß, dass es manchmal Wörter oder Sätze gibt, über die man immer wieder stolpert. Auch bei Sprecher*innen kommt dies gelegentlich vor, dann suche man nach einer anderen Lösung, ersetzt ein Wort oder formuliert den Satz um, so Mayke.

Inzwischen ist Mayke nicht mehr die Werbestimme für Lidl, zum Jahreswechsel hat jemand anderes den Job übernommen. Für sie ein Grund nach neuen Projekten zu suchen, doch ihre Werbestimme verfolgt sie immer wieder. „Ich habe auch schon zu hören bekommen, dass man mich nicht besetzen könne, weil ich die Lidl-Stimme sei. Manche haben dann Bedenken, dabei kann ich meiner Stimme auch eine andere Färbung geben, das ist ja mein Job.“ Doch so schnell lässt sich Mayke nicht entmutigen, im Gegenteil. Sie nutzt ihre Energie, um weiterzumachen, während wir sprechen, berichtet sie immer wieder von Projekten, die gerade beginnen oder an denen sie arbeitet. Mayke hat Power und die nutzt sie, um am Ball zu bleiben.
Übrigens ist ein Sprecher*innenjob nicht gleich ein Sprecher*innenjob. „Beim Synchronsprechen muss man viel mehr auf Timing achten und es ist viel technischer, bei Hörspielen oder auch in der Werbung kann ich mehr in eine Figur hineingehen.“ Außerdem sei man beim Synchronsprechen oft allein, denn wer glaubt, dass die Rollen ihre Szenen gemeinsam einsprechen, der täuscht. „Es hat oft etwas damit zu tun wie gearbeitet wird und wer Regisseur*in ist.“ Manchmal könne es sogar passieren, dass man nur seine eigenen Sätze einspreche und gar nicht weiß, was die Figuren um einen herum sagen oder die Regie gebe einem nur einen Einsatz. Moment, Regie? Im Synchronstudio? Ja! Denn wie im Theater oder beim Film braucht es auch beim Synchronisieren eine Person, die die Aufnahmen koordiniert und die Sprecher*innen anleitet. Hierfür gibt es die sogenannte Dialog- bzw. Synchronregie. Mayke berichtet auch, dass man seit Corona noch häufiger alleine im Synchronstudio arbeite, da man nicht mehr gemeinsam in Studios darf. Zwar freue Mayke sich, dass sie überhaupt arbeiten könne, aber den Kontakt zu den Kolleg*innen vermisse sie schon. Ein Glück, dass langsam wieder Dreharbeiten starten dürfen.
Mit der Zeit hat Mayke eine Balance als Schauspielerin und Sprecherin gefunden, denn nur als Sprecherin zu arbeiten kann sie sich nicht vorstellen. Trotzdem hat sie in der aktuellen Situation einen Vorteil in ihrer Position, denn durch die geschlossenen Theater und ausgefallene Drehs können sich die Synchronstudios gerade kaum vor Bewerbungen retten. Auch Fortbildungen für Schauspieler*innen als Sprecher*in sind im Moment heiß begehrt. Für Mayke geht das Sprechen wie gewohnt weiter, auch wenn sie merkt, dass das Feld aktuell deutlich dichter besiedelt ist, denn die Auftragslage ist insgesamt deutlich dünner geworden.

Doch auch dem Theater möchte Mayke treu bleiben. Dabei steht für die junge Schauspieler*innen die Leidenschaft im Fokus, denn diese hat sie dazu angetrieben den Weg zu gehen, den sie bisher gegangen ist. Als Bühne muss es dann nicht unbedingt das große Haus sein, denn seit ihrer Schauspielausbildung wirkt Mayke in einem Kollektiv mit, das sich aus verschiedenen Personen zusammensetzt, die immer wieder dann spielen, wenn sie Zeit und Lust haben. Von Auftritten im Kölner Odonien bis in Kneipen hat Mayke schon alles miterlebt. Für sie sind es solche kleinen Erfahrungen, die ihr Freude bereiten und ihr die Energie geben, wieder inspiriert an die Arbeit zu gehen.
Im weiteren Gespräch sprechen wir viel über die Theaterlandschaft, aber auch die Theaterarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Zwar arbeitet Mayke nicht als Theaterpädagogin, aber sie gibt immer wieder Workshops, beispielsweise in Unternehmen. Dennoch fasziniert sie die Arbeit mit den jungen Leuten, wobei auch sie einen Trend bemerkt, den ich ihr bestätigen kann: das Interesse am Theater hat in den vergangenen Jahren merklich nachgelassen. Druck in der Schule und auf dem Arbeitsmarkt, die immer länger werdenden Schultage, anspruchsvolleren Lehrpläne, aber auch der technische Fortschritt führen dazu, dass sich Kinder und Jugendliche nur noch schwer für das Theater begeistern lassen. Schade, wie Mayke findet, denn gerne denkt sie an die Zeit zurück als sie als Kind, Jugendliche und junge Erwachsene immer mehr an die Theaterarbeit herangeführt wurde. Aus diesem Grund kann sie sich gut vorstellen zukünftig auch mit dieser Zielgruppe etwas zu machen. Generell schwirren Mayke immer viele Ideen im Kopf herum: „Es ist schwierig für mich abends nach Hause zu kommen und einfach auf die Couch zu gehen, ich möchte immer noch etwas Kreatives tun.“ Eine tolle Einstellung, die zeigt wie engagiert Mayke ist und dass sie sich nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen möchte.
Nach einer langen Skype-Session bin ich begeistert von Mayke, ihrem Werdegang und ihrem Einsatz. Mayke träumt nicht von dem einen Weg oder der einen Rolle, sie ist offen für Neues und möchte sich in Zukunft immer wieder neu ausprobieren. Wir wünschen ihr dafür viel Erfolg und werden ihren Weg weiterverfolgen, vielleicht können wir dann gemeinsam in ein paar Monaten oder Jahren auf das heutige Interview blicken und schauen, was sich seitdem verändert hat.
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