Aus zwei mach KAP1 – #backstage im FFT Düsseldorf

Titelfoto: Christian Herrmann
Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)

„Wir sind jetzt rund vier Wochen hier und unsere Erwartungen wurden in jeder Hinsicht übertroffen. Vor allem, dass tatsächlich alles soweit fertig wurde, dass wir den Spielbetrieb, wie geplant, Anfang November aufnehmen konnten“, freut sich Kathrin Tiedemann, Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin des Forum Freies Theater (FFT) Düsseldorf, die ich zum Gespräch für unsere #backstage Reihe in den neuen Räumlichkeiten treffe, um herauszufinden, was die neue Umgebung für die Zukunft des FFT bedeutet, aber auch wie es gerade im Spielplan des Theaters aussieht.

Und da sitzen wir, im weiten Foyer des KAP1, wie sich das Gebäude, in dem das FFT nun beheimatet ist, nennt. KAP1 klingt nicht nur cool, sondern ist auch eine praktische Eselsbrücke, denn so lautet nun die Adresse des FFT: Konrad-Adenauer-Platz 1. Und hier wird zusammengeführt, was sich noch bis vor einiger Zeit über zwei Bühnen, das sogenannte Juta und die Kammerspiele, erstreckte. Gemeinsam mit der Zentralbibliothek Düsseldorf und weiteren Nutzer:innen teilt sich das FFT das Gebäude, über Platzmangel braucht aber niemand zu klagen.

„Wir sind jetzt rund vier Wochen hier und unsere Erwartungen wurden in jeder Hinsicht übertroffen.“, berichtet Kathrin Tiedemann, Geschäftsführerin und künstlerische Leiterin des FFT glücklich. (Bild: Christian Herrmann)

„Cool, oder?“ fragt mich Kathrin Tiedemann als wir einen kurzen Blick auf die große Bühne des Hauses werfen. Statt Techniker:innen, die auf Leitern rumklettern, kann man in den neuen Räumlichkeiten die Traversen herunterfahren und die Technik von der Bühne aus einrichten. Auch die Spielfläche ist flexibel zu nutzen, denn die Zuschauertribüne lässt sich unter den weiteren Sitzreihen, die sich auf einer kleinen Empore befinden, einfahren. Cool ist das definitiv, denn so etwas habe ich selbst vorher noch nicht gesehen und bin ganz begeistert von den neuen Räumlichkeiten, auch wenn sie zum Teil noch etwas karg und kühl wirken. Trotzdem kennen wir das FFT selbst schon seit über einem Jahrzehnt, beide Bühnen waren uns bestens bekannt, aus Zuschauer-, Spielleiter- und sogar Spielerperspektive haben wir sie erlebt. Umso spannender ist es zu erleben, wie sich das Theater in den neuen Räumlichkeiten zurechtfindet.

Am 06. November fiel offiziell der Startschuss, die neuen Pforten des FFT öffneten sich und man hatte ein buntes Programm für das sogenannte House Warming zusammengestellt. Die Resonanz war durchweg positiv: „Kolleg:innen aus ganz Nordrhein-Westfalen aber auch aus Hamburg und Berlin waren gekommen und alle waren glücklich, sich nach langer Zeit wiederzusehen.“ Schon bevor es neue Regelungen gab, hatte das FFT von sich aus entschieden, auf die 2G-Regel zu setzen. „Wir sind froh, dass wir bis heute unser Programm wie geplant realisieren konnten und hoffen, dass dies bis zum Ende der Spielzeit so bleiben wird“, erklärt Kathrin Tiedemann weiter. So gastierten bereits Ariel Efraim Ashbel and Friends mit ihrer Performance, die eine Mischung aus Konzert, Choreografie und Multimediainstallation war, oder auch Cooperativa Maura Morales, die mit einer Tanzinszenierung das Publikum in ihren Bann zogen. „Diese Inszenierungen passten so gut, weil man direkt ein Gefühl dafür bekam, was diese Bühne alles kann und welche Möglichkeiten sich uns und den Künstler:innen bieten, die wir auf den alten Bühnen nicht hatten.“

„Diese Inszenierungen passten so gut, weil man direkt ein Gefühl dafür bekam, was diese Bühne alles kann und welche Möglichkeiten sich uns und den Künstler:innen bieten, die wir auf den alten Bühnen nicht hatten.“(Bild: Michael Gstettenbauer Stadt Düsseldorf)

Seit der Eröffnung traf man viele bekannte Gesichter, aber auch einige neue, was auch an den neuen Nachbarn, der Zentralbibliothek, liegt: „Wir hatten in den ersten vier Wochen mehr Zuschauer:innen als im entsprechenden Zeitraum in anderen Jahren in beiden Spielstätten, und es kommen auch Leute, die das FFT zum ersten Mal wahrgenommen haben. […] Das ist etwas, was wir uns immer gewünscht haben und woran wir auch in Zukunft arbeiten wollen: dass wir zu einem Treffpunkt im Bahnhofsviertel werden“, freut sich Tiedemann. Dabei ist das Bahnhofsviertel eine Ecke, die man sich noch erarbeiten muss. Auf der einen Seite ist es die sehr gute Anbindung, die direkte Nachbarschaft, beispielsweise zum Tanzhaus oder zum Central vom Düsseldorfer Schauspielhaus, auf der anderen Seite ist es aber eben auch das klassische Bahnhofsviertel einer Großstadt, mit all seinen Ecken und Kanten. „Natürlich haben wir uns schon vorab mit dem Thema ‚Stadt als Fabrik‘, mit dem Bahnhofsviertel und mit der Geschichte des Gebäudes beschäftigt. […] Was das genau heißt, müssen wir sehen, wir entwickeln alles immer im Dialog mit den Künstler:innen und wir versuchen, aus dem Foyer etwas Neues zu machen. Es soll beispielsweise tagsüber öffnen und für Gruppen zugänglich sein, die sich für das Zusammenleben in der Stadt interessieren.“ Und in Zukunft wird die Nachbarschaft kulturell noch weiter aufgewertet, denn im Central sollen Umbauarbeiten vorgenommen werden, die künftig auch dem Jungen Schauspielhaus Platz bieten sollen. Perfekte Bedingungen für eine gute Nachbarschaft, aber auch weitere Kooperationen der verschiedenen Häuser.

Nun war das FFT eine Zeit lang ein Theater ohne Haus, doch die Planungen gingen weiter und man ist in Düsseldorf gut vernetzt und konnte in der Planwerkstatt 378 Räumlichkeiten nutzen, in denen geprobt und sogar aufgeführt werden konnte. Das hatte uns damals schon Christoph Rech, leitender Dramaturg des FFT, in unserem ersten #backstage Text über das FFT erklärt. So ist es nicht verwunderlich, dass das FFT nicht nur die Unsicherheiten des Umzugs, sondern auch die Planungen mit und um Corona herum souverän gemeistert hat. „Natürlich hätte es auch anders laufen können, vor allem wenn ein weiterer Lockdown gekommen wäre, aber wir haben diese Spielzeit regulär geplant und sind optimistisch davon ausgegangen, dass das möglich sein würde.“ Aktuell gehen noch Produktionen über die Bühne, wenn auch mit den gewohnten Corona-Einschränkungen. Dennoch, so Kathrin Tiedemann, habe man bisher Kurzarbeit vermeiden können und auch mit den Künstler:innen wurde man sich immer einig und konnte diese sogar unterstützen, dank fortlaufender Kulturförderprogramme und Corona-Hilfsprogrammen, wie der Kooperation mit dem Fonds Darstellender Künste. So konnten Dank des #TakeCare-Residenz-Programms, an dem das FFT als Mitglied im Bündnis internationaler Produktionshäuser teilnimmt, seit Herbst 2020 fast 100 Residenzen an 54 Einzelkünstler:innen und Gruppen vergeben werden, um sie dadurch in ihrer Arbeit unter pandemischen Bedingungen zu unterstützen. „Dazu ist es nicht erforderlich, dass sie vor Ort sind. Es werden Recherchevorhaben realisiert, die die Künstler:innen aus ihren Arbeitszusammenhängen heraus entwickeln.“ Anders als bei einer Projektförderung, sind diese Zuwendungen vom Ziel, eine Produktion auf die Bühne zu bringen entkoppelt, so dass in Zeiten, in denen die Bühnen ihren Betrieb einstellen mussten, bezahlte künstlerische Arbeit dennoch ermöglicht wurde. Dabei stehen die Produktionshäuser als Kooperationspartner und inhaltliche Begleitung zur Verfügung. „Das kommt allen zu Gute, weil man auf diese Art und Weise mit den Künstler:innen im Austausch bleibt und am Ende ergeben sich dann doch Impulse für weitere Kooperationen.“

„[…] und es kommen auch Leute, die das FFT zum ersten Mal wahrgenommen haben. […] Das ist etwas, was wir uns immer gewünscht haben und woran wir auch in Zukunft arbeiten wollen: dass wir zu einem Treffpunkt im Bahnhofsviertel werden.“ (Bild: Klaus Handner aus „Präludium der Kälte“ von Cooperativa Maura Morales)

Doch drängt sich mit einem Umzug, vor allem, wenn man vormals zwei Spielstätten hatte, auch immer die Frage auf: Wird jetzt alles neu? Oder zieht das Alte nur in eine neue Umgebung? Auch dazu habe man sich, durch Corona auch noch einmal verstärkt, Gedanken gemacht: Wie wolle man kommunizieren, welche neuen Projekte, aber auch Wege möchte man angehen? Herausgekommen sind dadurch u.a. eine neue Website, aber auch ein neuer Anstrich im Design, der sich auf allen Werbematerialien widerspiegelt. Aktuell gibt es auf der Website des FFT neben dem üblichen Spielplan auch einige Videos zum Umzug, beispielsweise von der Eröffnung oder auch einige kürzere Interviews mit Wegbegleiter:innen, die noch einmal spannende Einblicke geben. Solche und ähnliche Clips sollen in Zukunft immer wieder produziert werden, um auch digital einen besseren Einblick in das Haus geben zu können.

Beibehalten möchte man in Zukunft auch das Konzept, Projekte komplett digital oder hybrid zu denken. Während der Pandemie habe das FFT, wie viele andere Theater, Equipment angeschafft, aber auch Erfahrungen gesammelt, die man in zukünftigen Projekten nutzen wolle, so Tiedemann. Als drei Säulen möchte man den urbanen Raum, den digitalen Raum und den Theaterraum in den Fokus rücken und weiter untersuchen. Dennoch wird sich das FFT nicht von heute auf morgen neu erfinden, das war auch nie die Absicht, die mit dem Umzug verbunden war. Stattdessen soll sich das FFT (weiter)entwickeln. „Beispielsweise wollen Künstler:innen gerne mehr Verantwortung für das Programm und die Kontexte übernehmen, in denen sie arbeiten. […] Künstler:innen als Kuratoren sind nichts komplett Neues, vielmehr geht es darum wie man es dann konkret angeht und welche Auswirkungen eine solche Form der Zusammenarbeit auf die eigenen institutionellen Praktiken haben kann.“ Für ein erstes derartiges Vorhaben wurde die Regisseurin Monika Gintersdorfer eingeladen, mit der man die Reihe Politics of Invitation entwickelt hat, die noch bis Juni 2022 läuft. Gintersdorfer selbst habe direkt zwei weitere, junge Künstler:innen (die spanische Choreografin Montserrat Gardó Castillo und Annick Choco, ivorische Tänzerin und Musikerin) mit in ihr Team geholt, weil sie der Meinung ist, dass man langsam einen Generationenwechsel einleiten sollte.

Auch die Jüngsten sollen weiterhin angesprochen werden. Neben Inszenierungen, speziell für junges Publikum, soll es weiterhin Projekte für und mit Kindern und Jugendlichen geben, auch Workshops oder die Beteiligung beim Landes-Schultheater-Treffen NRW Maulheld*innen sind fest im Plan des FFT verankert. Es sollen weitere experimentelle Formate für das junge Publikum folgen, um ein besseres Verständnis für die darstellende Kunst, sowie die Arbeit des FFT zu schaffen. Außerdem möchte man nachhaltiger arbeiten: „Wir versuchen ein bisschen wegzukommen, von den, für die freie Szene typischen, schnellen Rhythmen der Aufführungen. Acht Wochen proben, drei Vorstellungen spielen und dann kommt ein neues Projekt.“ Es gehe um einen nachhaltigeren Umgang mit der Ressource Zeit und der menschlichen Kreativität – aber auch um ein grundsätzliches Umdenken in Bezug auf andere Ökonomien. Das zeigt sich am Beispiel des Klimawandels, man könne nicht erwarten, dass alles immer so weiter gehe, immer noch besser und großartiger, so Kathrin Tiedemann. Und so sieht das FFT durchaus seine Aufgabe darin, ein Umdenken nicht nur in gewissen Themen, sondern auch in Abläufen und Strukturen umzusetzen. „Das spüre ich, dass dies ein Anliegen vieler Künstler:innen ist, dass man ein ‚Weiter so‘ nicht mehr will. Es gibt Notwendigkeiten, aus denen heraus man gewisse Dinge nicht mehr machen kann. Das FFT versteht sich als Ort für eine solche Auseinandersetzung, wo wir die Räume dafür zur Verfügung stellen und wo man experimentieren kann.“

„[…] wir versuchen, aus dem Foyer etwas Neues zu machen. Es soll beispielsweise tagsüber öffnen und für Gruppen zugänglich sein, die sich für das Zusammenleben in der Stadt interessieren.“ (Bild: Michael Gstettenbauer Stadt Düsseldorf)

Und die Zentralbibliothek? Für März sei eine Inszenierung in Kooperation mit und in den Räumen der Bibliothek geplant. Es geht um einen Buch-Club, der Miranda Julys Romandebüt The First Bad Man liest. „Dafür ist die Bibliothek ein perfekter Ort“, findet Kathrin Tiedemann und lächelt dabei. Doch man möchte nicht nur mit den Hausnachbarn Projekte verwirklichen, sondern mit der Nachbarschaft außerhalb des KAP1 in Kontakt kommen. Wir alle dürfen gespannt sein, was sich daraus für spannende Projekte ergeben.

Wir finden, dass wer das FFT kennt, die neuen Räumlichkeiten unbedingt bei einer Aufführung aufsuchen sollte. Wer das FFT noch nicht kennt, sollte es bald kennenlernen. Im Gespräch mit Kathrin Tiedemann wird mir wieder klar, wie viel Leidenschaft und Herzblut im FFT für die einzelnen Projekte investiert wird. Und so braucht sich das Theater nicht neu zu erfinden, es ist richtig, dass man sich weiterentwickelt, das bringen alleine schon die neuen Räumlichkeiten und Kontakte mit sich, aber seiner alten Linie sollte man dennoch treu bleiben, denn so werden hoffentlich in Zukunft viele Menschen, so wie wir einst, ihre eigenen Erfahrung im FFT sammeln und der Bühne danach lange treu bleiben.

Wer sich vorab ein Bild machen möchte oder nach dem aktuellen Programm sucht, dem empfehlen wir die Website des Theaters, den Instagramkanal oder auch die Facebookseite.


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