Wie Balsam für die Seele – Drei Prumme för Pitter im Scala Theater Köln

Titelfoto: Scala Theater / Niki Siegenbruck
Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)

„Warum wir spielen dürfen und andere Großveranstaltungen abgesagt werden? Weil es hier gesittet ablaufen kann.“ Gelächter im Saal, auch Ralf Borgartz, nicht nur Schauspieler, sondern auch Geschäftsführer und künstlerischer Leiter des Theaters, lacht, dann fährt er fort: „Nicht nur kann, sondern muss, das ist die Voraussetzung, dass wir spielen dürfen“, so sein Appell. Der Stimmung tun die Regelungen, auf die er hinweist, keinen Abbruch, im Gegenteil. Fast fühlt es sich an, als wäre nie etwas gewesen, das Scala ist wieder da: Mit vill Hätz un Jeföhl!

In Strömen ist das Publikum in den Saal des Scala Theater in Köln eingekehrt. Der Saal ist fast voll, die Stimmung gut, man spürt die Freude, beim Publikum, aber auch von der ersten Sekunde beim Ensemble, das uns Drei Prumme för Pitter präsentiert. Die folgenden drei Mal 45 Minuten („Ungefähr, wenn Sie und ihr viel lachen, werden es schon mal ein paar Minuten mehr“, verspricht Borgartz) werden wieder Mal ein Fest für die Lachmuskeln. Derber kölscher Humor, ein paar kölsche Lieder und eine Story, die kaum verzwickter sein könnte. Licht an, Musik ab und los geht’s.

Arne Hoffmann, Barbara Nöske und Ralf Borgartz (Bild: Scala Theater / Niki Siegenbruck)

„Pitter Flappmann is ene Föttchesföhler wie här im Boch steiht.“ So wird das Stück auf dem Flyer des Theaters beschrieben. Ein Föttchesföhler ist der kölsche Begriff für Schürzenjäger, jemand, der keine Chance auslässt, um nicht doch wieder eine kleine Liebelei einzugehen. Dabei kommt Pitter (Ralf Borgartz) schnell in die Bredouille, denn seine drei Stewardessen (oder wie eben im Titel beschrieben, seine Prumme), die er sich anhand ihrer Flugpläne und mit einem akribischen Kalender stundengenau eingeteilt hat, wollen dieses Mal so gar nicht nach seinem Plan arbeiten. Mal hat Pamela (Kirstin Hesse) aus Amerika etwas vergessen, Mandy (Barbara Nöske) aus Leipzig fliegt neuerdings öfters Kurzstrecke und Michelle (Alexander Plein) aus Frankreich ist nicht nur ein Mann, sondern führt gemeinsam mit seiner Tante Annemie (Sophie Russel), die auch das Hausmädchen von Pitter ist, etwas im Schilde. Als dann noch – der eigentlich sehr prüde und geistliche – Cousin Martin (Arne Hoffmann) überraschend zu Besuch kommt und seine Qualitäten als Liebhaber an den drei Stewardessen entdeckt, ist das Katz- und Maus-Spiel perfekt, das Chaos ist vorprogrammiert. Nun heißt es die Lachmuskeln dehnen, denn diese werden bis aufs Äußerste strapaziert.

Kirstin Hesse (Bild: Scala Theater / Niki Siegenbruck)

Von der ersten Sekunde an merkt man allen Beteiligten die Leidenschaft an, mit der sie auf die Bühne treten und spielen. Das Publikum ist eingeladen mitzusingen, zu schunkeln und gerne auch auf den ein oder anderen Kommentar einzugehen, denn wer denkt, man werde nicht hier und da entdeckt, der täuscht. So möchte Annemie gerne eine Hebefigur aus Dirty Dancing ausprobieren. Im Gespräch mit einem Herrn aus dem Publikum breitet er die Arme aus und zeigt sich willig zu helfen, doch Annemie lehnt dankend ab, am Ende hätten sie beide nichts davon, sehr zur Freude des Publikums. Und auch an diesem Abend geht nicht immer alles glatt, beim Kostümwechsel von Sophie Russel klemmt der Rock in der Strumpfhose, beherzt hilft ein Kollege aus, Schauspieler:innen und Publikum können sich kaum vor Lachen halten, die Situation wird gar nicht erst kleingeredet, sondern voll in das Spiel integriert. Aus unserem damaligen Gespräch mit Arne Hoffmann, ebenfalls nicht nur Schauspieler, sondern auch Geschäftsführer, wissen wir, dass manche Situationen gewollt, andere hingegen frei improvisiert sind. Dass wir als Zuschauer:innen am Ende nicht erkennen, welche Situation improvisiert und welche gewollt ist, ist wohl das größte Kompliment für die Spielfreude und Umsetzung des Ensembles.

Sophie Russel (Bild: Scala Theater / Niki Siegenbruck)

Auch dieses Mal war die Inszenierung wieder so unfassbar fesselnd und urkomisch, dass wir gar nicht erst anfangen eine Nadel im Heuhaufen zu suchen. Trotz des reduzierten Ensembles – Corona ist auch hier nicht spurlos vorbeigegangen – war die Spielqualität wieder enorm. Man muss den Stil des Theaters mögen, vor allem sollte man der kölschen Sprache mächtig sein, doch wer dazu bereit ist und sich einmal fallen lässt, wird butterweich landen und nicht schnell genug nach den Tempos greifen können, wenn man wieder Tränen lachen muss. Besonders aufgefallen ist uns Alexander Plein, der neu im Ensemble ist. Nicht nur spielerisch überzeugt er, sondern vor allem durch Tanzeinlagen und seinen Musicalgesang. „Der tanzt Ballett, das ist Wahnsinn!“ oder „Kann ich den auch in einem Musical sehen?“, heißt aus dem Publikum um uns herum. So viel sei verraten: Plein ist in der Musical-Branche kein Unbekannter und bringt die entsprechende Ausbildung mit und er fügt sich wunderbar in das Ensemble mit seiner hohen Qualität ein. Kirstin Hesse überzeugt als aufgedrehte Stewardess Pamela Pancake mit ihrem liebevollen amerikanisch-kölschen Akzent. Und spätestens als sie Auszüge aus Whitney Houstons Welthit I will always love you singt, bekommt auch der oder die Letzte im Publikum Gänsehaut. Nach einem tosenden Applaus wird vom Ensemble lachend bestätigt, dass alles live sei, schließlich habe man die Kommentare aus den ersten Reihen gehört, dass der Auszug vom Band käme. Ralf Borgartz zeigt sich spielerisch als Pitter Flappmann in Höchstform, um keine Pointe verlegen, keinen Gag liegen lassend, schafft er als zentrale Figur den perfekten Spagat, um damit immer wieder unterschiedliche Dynamiken ins Stück zu bringen. Barbara Nöske als Mandy aus Leipzig performt mit ihrem besten sächsischen Dialekt, den sie selbst in ihrer Version von I will always love you beibehält. Ihre Spielfreude ist ansteckend und man nimmt ihr jede Sekunde die Rolle der Mandy ab, die natürlich, wie alle anderen Rollen, von vorne bis hinten klischeebehaftet ist. Allerdings zieht das Scala gerne verschiedene Themen durch den Kakao (übrigens auch sehr aktuelle Themen), doch nie ohne das notwendige Augenzwinkern, denn am Ende ist es egal woher man kommt, im Scala soll man gemeinsam einen schönen Abend verbringen. Arne Hoffmann als Cousin Martin aus der Eifel zeigt sich an diesem Abend auch wieder in Bestform. Zu Beginn kontrolliert er sogar noch die Nachweise am Eingang und später steht er selbst auf der Bühne und sorgt dafür, dass auch die Eifler ihr fett wegbekommen. Das bestätigt den Eindruck, den wir im damaligen Gespräch mit Arne Hoffmann bekommen haben, er gibt immer Vollgas. Es zeigt erneut, mit wie viel Herzblut er, aber auch das Ensemble, das Stück für die Zuschauer:innen auf die Bühne bringen. Komplettiert wird das Ensemble durch Sophie Russel, die einfach Sophie Russel ist. Verrucht, direkt, laut, um keinen Spruch verlegen. Russel zeigt sich wieder einmal selbstbewusst und zieht so alle Sympathien des Publikums auf ihre Seite, mit Pointen, die manchmal so schlagfertig und überraschend kommen, dass man sich vor Lachen kaum auf dem Stuhl halten kann.

Sophie Russel und Arne Hoffmann (Bild: Scala Theater / Niki Siegenbruck)

Ging es nun gesittet ab? Was die einzuhaltenden Regeln im Theater betrifft, absolut, doch auf der Bühne wurde wieder ein Feuerwerk entzündet, das seine Funken bis in die letzte Reihe gesprüht hat. Minutenlange stehende Ovationen zum Schluss bestätigen auch unser Gefühl, dass Drei Pumme för Pitter ein perfektes Stück ist, um ein bisschen die tagtägliche Situation zu vergessen. Nach der Aufführung zeigt sich das Ensemble dankbar, immerhin waren es auch für sie schwere Zeiten. Die Truppe um die beiden Geschäftsführer Arne Hoffmann und Ralf Borgartz hat versucht in aller Munde zu bleiben, mit Videos, Beiträgen, einem Podcast, alles nach wie vor über den eigenen Youtube-Kanal, abrufbar. Auch Instagram hat das Scala inzwischen und es ist egal, was gemacht wird, es wird mit viel Hingabe gemacht. Bei uns kommt dieses Gefühl an und wir finden die neue Produktion sehen- und hörenswert. Wer noch keine Karten hat, kann sich diese über die Website besorgen. Gesetzt den Fall, es kommen keine neuen Regelungen, wird das Stück noch bis zum Sommer zu sehen sein, aktuell immer von donnerstags bis sonntags.


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3 Gedanken zu “Wie Balsam für die Seele – Drei Prumme för Pitter im Scala Theater Köln

  1. Danke für die schöne Zeit der Normalität.
    Das Ensemble ist so geschrumpft und ihr bekommt ein Stück auf die Bühne ,zum verlieben.
    Ihr seid großartig
    LG Petra

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