Zum Lachen in die Kirche gehen – Sister Act in Tecklenburg

Titelfoto: Freilichtspiele Tecklenburg (zu sehen ist das Ensemble)
Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)

„Halleluja“ mag man schreien, wenn man an Sister Act und die wilde Geschichte um Deloris Van Cartier – ja genau, wie der Schmuck – denkt. Begeisterten Fans ist das Musical sicher längst bekannt, noch viel bekannter ist wohl die Komödie von 1992, in der Whoopi Goldberg die Hauptdarstellerin gibt und das Publikum mit ins katholische Kloster nimmt, in dem sie sich als Zeugin eines Mordes verstecken soll. Bester Stoff für einen erfolgreichen Musical-Abend, oder?

Sister Act stand, wie auch Der Besuch der alten Dame (wir berichteten) bereits 2020 auf dem Spielplan, doch zu genüge wissen wir um den Grund der Verschiebung. Nach zwei Jahren etwas erzwungener Vorfreude war es nun endlich so weit und wir konnten uns die Musical-Fassung, die bereits im Oktober 2006 ihre Uraufführung im Pasadena Playhouse feierte, vor der wundervollen Kulisse der alten Burgruine in Tecklenburg ansehen. Schon bevor die ersten Darsteller:innen die Bühne betreten, merkt man eines: die Leute haben Lust! Die Ränge sind voll, man möchte sich unterhalten lassen und Tecklenburg war in den letzten Jahren mit Stücken wie Shrek, Don Camillo & Peppone oder Monty Python’s Spamalot immer ein Garant für einen stimmungsvollen Abend. Natürlich wurden auch andere Musicals gespielt, die aber oftmals als Gegensatz zu den gerade genannten Stücken eine ernste Story verfolgt haben, wie auch in diesem Jahr Der Besuch der alten Dame.

Vorne: Martin Pasching und Peti van der Velde, hinten: Ensemble (Bild: Freilichtspiele Tecklenburg)

Genau diese stimmungsvollen Abende werden vom Publikum gut angenommen, beim Blick über die Ränge sehen wir ein fast ausverkauftes Haus, was unsere Annahme vom Vorabend bestätigt, dass Sister Act eher der Publikumsmagnet ist als eine Literaturvorlage – so unsere Vermutung. So konnten rund 2.000 Zuschauer:innen das Treiben auf der Bühne um Deloris Van Cartier (Peti van der Velde) und ihre Flucht vor ihrem Liebhaber Curtis Jackson (Martin Pasching), der einen Mord beging, bei dem Deloris die einzige Zeugin ist, beobachten. Deloris ist eigentlich Sängerin, hat jedoch wenig Erfolg. Nachdem sie den Mord beobachtet hat, bringt sie ihr Freund und Polizist Eddie Fritzinger (Fabio Diso) in ein Kloster, um sie dort zu verstecken. Mutter Oberin (Masha Karell) lässt sich auf den Deal ein, auch wenn die beiden immer wieder aneinander geraten. Schließlich bekommt sie von ihr den Auftrag, die Leitung des bis dahin eher chaotischen und gar nicht klangvollen Chors zu übernehmen. Deloris gelingt es mit ihrer frechen Art und ihrer Gesangserfahrung, einen schwungvollen Gospelchor aus den Nonnen zu machen. Das führt dazu, dass wieder viel mehr Menschen in die Kirche kommen und das Kloster erfreut sich eines Geldregens, der dringend für die Rettung notwendig war, auch sehr zur Freude des Monsignore (Andreas Goebel). Als dann ein Auftritt vor dem Papst ansteht und auch medial der Chor stark in den Fokus rückt, wird Curtis mit seinen Handlangern auf Deloris‘ Versteck aufmerksam und er versucht sie ausfindig zu machen, doch dabei rechnet er nicht mit dem Zusammenhalt der Nonnen im Kloster.

Fabio Diso und Ensemble (Bild: Freilichtspiele Tecklenburg)

An diesem Abend passt einfach alles, was der Regie von Werner Bauer zu verdanken ist. Trotz eines kurzfristigen Ausfalls, für den Gülfidan Soylemez, die sonst Schwester Lafer spielt – im Original nicht vorhanden, aber für diese Inszenierung zusammen mit Schwester Lichter (Birgit Widmann) für das Essen im Kloster zuständig, was für viele Lacher im Publikum sorgt – als Schwester Mary Lazarus (sonst Mona Graw) einspringen muss. Peti van der Velde begeistert durch ihre freche, aber auch liebevolle Art, mit der sie ihre Rolle ausfüllt, nicht nur gesanglich, sondern auch schauspielerisch überzeugt sie den ganzen Abend und erobert so schnell die Herzen des Publikums. Bekannt ist Van der Velde unter anderem aus Produktionen wie König der Löwen, Hair, oder Jesus Christ Superstar. Die Rolle der leidenschaftlichen Sängerin scheint ihr wie auf den Leib geschneidert, denn die Kraft und Freude, mit der sie die Gesangspassagen ausfüllt, reißen einen als Zuschauer:in förmlich mit. Masha Karell als Mutter Oberin zeigt nach ihrer Performance als Claire Zachanassian vom Vorabend erneut, dass sie eine großartige Schauspielerin ist. Sie bildet mit ihrer ernsten – oftmals auch sarkastischen – Spielweise den perfekten Gegenpart zu van der Velde. Trotz ihrer strengen, katholischen Rolle, bringt Karell immer wieder auch lustige Momente herüber, beispielsweise, wenn sie in einem Monolog den Herrn um Vergebung und Hilfe bittet, um Deloris loszuwerden. Martin Pasching überzeugt vor allem mit seiner sehr direkten Art, womit er der Rolle des Curtis trotz seines Daseins als Bösewicht auch eine leicht komödiantische Note verleiht. Als Schwester Mary Robert sticht Katia Bischoff hervor, die mit ihrer jugendlichen Art perfekt die jüngste der Schwestern spielt und sich eigentlich noch in ihrem Orientierungsjahr befindet. Dabei wirkt sie teilweise noch sehr naiv, allerdings immer mit dem Herzen bei der Sache. Gesanglich braucht sich Bischoff nicht im Nonnenchor verstecken, sondern kann auch in ihren Soloparts dem Publikum eine Gänsehaut über die Arme jagen. Jennifer Kohl, die die Chorleiterin Schwester Mary Patrick spielt, gibt viel Herz in ihre Rolle. Nachtragend nimmt sie zur Kenntnis, dass die Chorleitung Deloris übergeben wird, doch findet sie sich nach und nach mit ihrer Rolle ab und unterstützt Deloris, wo sie nur kann.

Masha Karell und Andreas Goebel (Bild: Freilichtspiele Tecklenburg)

Hinter den gerade genannten Personen steht ein noch viel größeres Ensemble, das in seiner Gesamtheit überzeugt. An diesem Abend gibt es einfach nichts auszusetzen. Besonders hat uns gefallen, dass die Produktion immer wieder kleine, aktuelle Spitzen enthält, beispielsweise als Andreas Goebel als Monsignore anmerkt, dass der Erfolg des Chors dazu führt, dass man gar kein Geld mehr von den Russen benötige, was natürlich eine Anspielung auf die aktuelle Situation ist und für tosenden Zwischenapplaus im Publikum sorgt. Selbst der Moment, indem Curtis droht, Deloris zu erschießen und im Publikum ein Herr lautstark niest, nimmt van der Velde auf und flüstert ein „Gesundheit“  in ihr Mikrofon, deutet aber an, dass nicht zu lange geklatscht werden solle, weil Curtis bereits sehr ungeduldig ist. Das zeigt wieder einmal, dass man auch als Publikum wahrgenommen wird und auf der Bühne nicht einfach eine einstudierte Show abgespielt wird. Und auch, wenn das Musical und vor allem der Film schon ein paar Tage auf dem Buckel haben, ist das Thema immer noch aktuell, denn es geht auch um das wachsende Desinteresse an der Kirche und die eingestaubten Ansichten, die diese vertritt. Da ist es herrlich zu sehen, dass am Ende Deloris in einem weißen Paillettenkleid und alle Nonnen, ja, auch Mutter Oberin, mit rosa Pailletten an ihrer Nonnenroben, aber auch rosa Strumpfhosen, den Auftritt vor dem Papst meistern (Kostüm: Karin Alberti). Nicht den Papst und erst recht nicht das Publikum hält es beim großen Finale noch auf den Sitzbänken. Der anschließend minutenlang anhaltende Applaus und die Standing Ovations sind mehr als verdient.

Vorne: Katia Bischoff, hinten: Ensemble (Bild: Freilichtspiele Tecklenburg)

Bis hierhin ist wohl sehr deutlich geworden, dass wir begeistert waren und es immer noch sind. Ein toller Cast, der mit viel Leidenschaft ein tolles Musical spielt und immer wieder die Lachmuskeln des Publikums strapaziert. Wir können den Besuch von Sister Act wärmstens empfehlen. Übrigens: Dank diverser Umbauten wird die Bühne und die Kulisse der alten Burgruine wunderbar bespielt und ist durchaus passend für dieses Musical (Bühnenbild: Jens Jahnke). Wer die Inszenierung noch sehen möchte, muss sich allerdings beeilen, denn die Aufführungen laufen nur noch bis zum 11. September und für viele Vorstellungen gibt es nur noch wenige Tickets. Alle Infos findet man auf der Seite der Freilichtspiele Tecklenburg.


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