Wenn weniger mehr Theater ist – An der Schwelle in Köln

Beitragsbild: Alessandro De Matteis
Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)

An der Schwelle wird als Monolog mit Cello beworben und genau das bekamen wir zu sehen. Die deutsche Uraufführung des Stücks von Glen Berger, das bereits 2001 in New York Premiere feierte, wurde von Regisseur und Schauspieler Nikos Konstantakis umgesetzt und bescherte uns einen imposanten Theaterabend, der wieder einmal zeigt: weniger ist mehr!

Nach 113 Jahren wird ein Buch bei einem Bibliothekar zurückgegeben, das weckt seine Neugier, denn wer behält für eine so lange Zeit ein ausgeliehenes Buch für sich und nimmt die horrenden Überziehungsgebühren dafür in Kauf? Die Person, die das Buch ausgeliehen hat, wird wohl lange nicht mehr leben, doch bei wem ist das Buch verblieben? Bei einem der Kinder oder Enkelkinder, wie viele Generationen wurde das Buch schon weitergegeben? Der Bibliothekar begibt sich auf die Suche nach dem mysteriösen Ausleiher und geht dabei auf eine turbulente Reise, während der er seinen Job riskiert, doch dafür auch um einige Erfahrungen und Erkenntnisse reicher wird. 

Fernando Nina und Nikos Konstantakis (Bild: Alessandro De Matteis)

Das Stück wurde bereits 2020 in der deutschen Fassung von Dagmar Windisch uraufgeführt. Nun gab es die Inszenierung wieder in Köln zu sehen: im Theater Die Box. Die Bühne ist nur spärlich eingerichtet mit einem Schrankkoffer, davor sitzt Cellist Fernando Nina mit seinem E-Cello. Musik erklingt und das Stück beginnt. Nikos Konstantakis begibt sich als Bibliothekar auf eine spannende Reise, denn auf der Suche nach dem säumigen Ausleiher findet er bald eine Rechnung einer Reinigung aus Dublin. Fein durchnummeriert präsentiert der Bibliothekar nach und nach seine Fund- und Beweisstücke, die ihn eine ganze Weltreise machen lassen. Dabei überzeugt er durchweg mit viel Charme und Witz, versteht es die aufgewühlten Momente mit genau so viel Präzision zu spielen, wie die ruhigen Momente, wodurch eine harmonische Dynamik entsteht, der man sich als Zuschauer:in gerne hingibt.

Die musikalische Unterstützung von Fernando Nina fügt sich ideal in die Inszenierung ein und untermalt die unterschiedlichen Szenerien und Stationen auf der Weltreise des Bibliothekars. Durch die sehr kleine Räumlichkeit und Ninas starken Ausdruck für seine Musik ist man als Zuschauer:in gelegentlich geneigt sich vom eigentlichen Spiel ablenken zu lassen oder sich einfach nur der Musik hinzugeben. Besonders schön ist der Wechsel zwischen bekannten Songs, aber auch abstrakteren und unbekannteren Stücken, die den Szenen immer wieder Lokalkolorit durch landestypische Klänge verleihen. In einigen Spielsequenzen agieren Konstantakis und Nina miteinander, was die Bühnenstruktur etwas aufbricht, da Nina auf einem Podest vor der eigentlichen Bühne sitzt. Generell wird häufig die vierte Wand durchbrochen und der Bibliothekar stürmt immer wieder ins Publikum und erzählt dort passagenweise von seinen Erlebnissen. Ein Effekt, der mit zunehmender Wiederholung einerseits etwas die Wirkung verliert, andererseits jedoch die Rastlosigkeit des Bibliothekars unterstreicht, der immer mehr zum „Ewigen Wanderer“ wird, einer Legende, auf die auch im Stück angespielt wird.

Nikos Konstantakis (Bild: Alessandro De Matteis)

Ansonsten kommt die Inszenierung mit wenigen Effekten und Requisiten aus. Die Bühne füllt sich nach und nach mit durchnummerierten Beweisen, der Koffer ist allzeitpräsent und die Lichteinstellungen sind recht einfach. Auch eine kleine Projektion gibt es zu sehen. Dass aus weniger mehr wird, dafür sorgen der Bibliothekar und sein Cellist, denn beide spielen mit Hingabe und viel Herzblut und das spürt man als Zuschauer:in. Die knapp anderthalb Stunden vergehen wie im Flug und am Ende weiß man nicht so recht, was aus dem Bibliothekar wurde, geschweige denn aus dem mysteriösen Ausleiher und seinen Nachkommen. Im Laufe der Inszenierung wird auch die Frage nach der Identität gestellt, die Fremdheit in einem anderen Land oder plötzlich in der eigenen Heimat. Es liegt nahe zu behaupten, dass die Reise des Bibliothekars noch nicht zu Ende ist und er sich am Ende des Stückes vielmehr auf eine Reise nach sich selbst begibt und selbst zum „Ewigen Wanderer“ wird. Nur ein Ansatz, wie man das Ende nach rund anderthalb, sehr kurzweiligen, Stunden interpretieren kann.

Aktuell wird An der Schwelle nicht mehr gespielt, doch können wir generell die Arbeit des Künstlerkollektivs Diphtong empfehlen. Wer Interesse an diesem oder einem weiteren Stück hat, kann auf der Website des Kollektivs immer aktuelle Infos finden.


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