Beitragsbild: Daniela Glunz
Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)
Buchrezensionen sind weniger unser Fachgebiet, doch als wir kürzlich die Anfrage erhielten das Buch Selbstbewusst zum Vorsprechen der Autorin, Schauspielerin und Sängerin Mieke Schymura (1. Auflage, Leipzig, Henschel Verlag, 2023, 152 Seiten) zu lesen, haben wir uns sehr über die Anfrage gefreut und sagten gleich Ja! Zugegeben: Erfahrungen mit Vorsprechen haben wir nicht, denn selbst haben wir noch nie eines besucht, doch die Methodik und Vorgehensweise sind uns bekannt und wir haben bereits andere in der Vorbereitung unterstützt. Entsprechend trauen wir uns eine Beurteilung über „Das ist toll“ oder „Das ist Quatsch“ hinaus durchaus zu. Was also halten wir vom neuesten Ratgeber für angehende Schauspielschüler:innen oder solche, die sich noch unsicher sind, ob sie es werden wollen?
Mieke Schymura ist Schauspielerin und hat ihre Ausbildung von 2000 bis 2004 an der Universität der Künste (UdK) in Berlin gemacht. Selbst unterrichtet und coacht sie seit 15 Jahren den Nachwuchs in der Schauspielbranche und konnte sich in den letzten Jahren einen guten Überblick über die Anforderungen der Schulen, aber vor allem auch die Ängste, Sorgen und Probleme der jungen Leute verschaffen. Stein des Anstoßes für ihr Buch war ihre eigene Reise durch diverse Vorsprechen und ihr Perspektivwechsel, den sie im dritten Studienjahr vollzogen hat, als sie selbst bei Vorsprechen in der Prüfungskommission saß. So bekam sie ein Gefühl dafür, worauf die Kommission achtet und worauf sich einige angehende Schauspielschüler:innen zu sehr versteiften. Das führte sie dazu dieses Buch zu schreiben, um interessierten und potenziellen Schauspielschüler:innen hilfreiche Tipps geben zu können.
Auf den ersten Seiten gewinnt man schnell das Gefühl Schymura möchte dem Leser oder der Leserin den Beruf und die Aufnahmeprüfungstour – wie sie es selbst beschreibt – madig reden. Doch halt! Das ist nicht der Fall. Die Autorin und Schauspielerin weiß um die Träume, die man oft von der Schauspielerei hat: große Aufführungen, große Rollen, das Mitspielen in tollen Filmen, der Besuch von Premieren, der Ruhm und vieles mehr. Doch genau das ist oft ein Irrtum. Schauspielerei bedeutet vor allem eines: Arbeit! Arbeit an sich selbst. Deshalb sollte man sich laut Schymura immer die Frage stellen, ob man es selbst genug wolle, um den anstrengenden Weg zu beschreiten. Lautet die Antwort recht schnell nein, dann solle man sich besser einen anderen Beruf suchen.
Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass es schwierig ist an gute Informationen zum Thema Schauspielerei, Vorsprechen und die Vorbereitung auf die Vorsprechen zu kommen. Das was vor zehn, 15 Jahren noch an Informationen fehlte, kann man sich heute im Überfluss beschaffen. Das Repertoire reicht von Horrorgeschichten, bei denen von selbstherrlichen Dozentinnen und Dozenten gesprochen wird, darüber, dass man sich selbst aufgeben muss, bis hin zur Aufgabe des Wunschs der Schauspielerei, weil man immer und immer wieder in der ersten Runde scheitert. Auch das vorliegende Buch macht kein Geheimnis daraus, dass solche Horrorgeschichten dazu gehören, doch es verschafft auch deutlich mehr Transparenz. Vor allem gibt es den Leser:innen eine wichtige Botschaft mit: Man soll immer nur das tun, womit man sich selbst wohl fühlt. Man kann ein und die gleiche Szene verschiedenen Schulen, ja sogar verschiedenen Dozent:innen der gleichen Schule, vorspielen und wird immer unterschiedliche Kritiken dafür erhalten. So objektiv man versucht zu sein, Theater und das Schauspiel werden am Ende immer von subjektiven Bewertungskriterien beeinflusst. Gerade deshalb rät Schymura dazu nie darauf zu achten, was „Die“ (Prüfer:innen/ Dozent:innen/ Schulen, Anm. des Autors) sehen und hören wollen, sondern darauf zu achten, dass man das tut, was man selbst für richtig hält.
Im Laufe des Buchs gibt die Autorin viele Anregungen, vor allem, dass man sich früh mit der Realität des Berufs Schauspieler:in vertraut machen soll, genau wie mit den Anforderungen der Schule. Auch betont sie, dass man zwar Szenen auswählen und vorbereiten soll, mit denen man sich wohl fühlt und die etwas in einem auslösen, doch am Ende nützt die Vorbereitung nichts, wenn man nicht lernt die eigene Komfortzone zu verlassen. Vor allem wird im Laufe des Buches auf viele Themen hingewiesen, auf die man selbst achten sollte, beispielsweise Aspekte wie toxische Beziehungen zu Coaches, eine gesunde Einstellung zur Selbstkritik und zur Kritikfähigkeit allgemein, aber auch die eigene Psyche. Es wird deutlich, dass man nicht alles mitmachen muss und dass der Arbeitsprozess am Ende immer ein gemeinsamer sein sollte, um selbst weiterzukommen. Dabei reißt die Autorin viele Methoden an, ohne sie konkret zu benennen, da sie immer wieder betont, dass es nicht die eine richtige Methode gibt, sondern jede Methode für unterschiedliche Anforderungen hilfreich sein kann.
Am Ende wird vor allem eines deutlich: Als Schauspieler:in muss man wieder lernen sich auf Instinkte zu verlassen, eine Reise zurück in die Kindheit wagen und sich aus seinen Verhaltensmustern lösen, denn das sind oft die größten Blockaden, um sich weiterentwickeln zu können. Aus der Schule und durch unsere Erziehung sind wir alle vorgegebene Systeme gewohnt, wir müssen es den Lehrer:innen Recht machen, um gute Noten zu bekommen und vor allem in Fächern, wie Deutsch oder Englisch Texte so interpretieren, wie es der Erwartungshorizont von uns erwartet. Natürlich haben auch die Prüfer:innen der Schauspielschulen Erwartungen, doch diese sind oftmals subjektiv, womit wir wieder an den vorhin genannten Punkt zurückkommen. Schymura gibt in ihrem Buch keine eindeutige Antwort, sie gibt Anregungen und Denkanstöße, viele Tipps und an manchen Stellen auch Hintergründe, zum Beispiel aus der Neurowissenschaft, um zu verstehen, wie wir als Mensch funktionieren. Ob es diese Detailtiefe braucht und es nicht hilfreicher gewesen wäre statt einer noch weitere Übungen für das Selbsttraining mitzugeben? Wir finden ja und nein, denn es sind interessante Informationen, die vermittelt werden, doch Personen, die auf der Suche nach Tipps und Tricks sind, wünschen sich vielleicht an manchen Stellen etwas mehr Konkretheit, beispielsweise auch beim Thema, wie man Szenen selbst entwickelt, da teilweise eigens entwickelte Szenen für Vorsprechen gespielt werden sollen, denn dieses Thema ist bereits nach einer halben Seite – wie wir finden, immer noch mit vielen offenen Fragen – abgearbeitet.
Selbstbewusst zum Vorsprechen ist dennoch ein gutes Handbuch für all diejenigen, die überlegen den Schauspielberuf zu ergreifen. Es gibt einen guten Einblick in die Strukturen und Abläufe der Aufnahmeprüfung an Schauspielschulen, aber auch für Castings beim Film. Das Buch gibt viele Tipps, worauf man achten sollte, ist dabei aber immer nah an der Realität. Das mag manch einem den Traum von der Schauspielerei dann doch madig machen, doch wie in allen Berufen muss man sich auch mit den unschönen Seiten befassen. Ein komplettes Coaching kann und soll das Buch nicht ersetzen und an mancher Stelle ist man als Leser:in mit der Fragenflut, mit der die Autorin uns überrollt, eventuell etwas überfordert, obwohl Mieke Schymura immer betont, dass gar nicht immer alle Fragen beantwortet werden müssen. Trotzdem glauben wir, dass das Buch viele hilfreiche Tipps, auch zu anderen Lektüren und auch Filmen gibt, die einem selbst dabei helfen herauszufinden, ob die Schauspielerei der richtige Beruf für einen ist. Somit kann es gerade am Anfang für angehende Schauspieler:innen hilfreich sein, sich mit Hilfe dieses Buches einen Überblick zu verschaffen, worauf man sich einlassen sollte und worauf nicht.
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