Du bist was du trägst? – „Das kleine Pony“ und das Stigma

Damals, als ich mit sechs Jahren eingeschult wurde, da musste ich – wie jede:r Grundschüler:in auch – eine tiefgreifende Entscheidung fällen: Welches Muster soll dein Tornister haben? Die gängigen Modelle kamen zumeist von der Firma Scout, waren kastenförmig, hatten an den Seiten zwei kleine und an der Front eine große Aufnähtasche mit Reißverschluss, darüber zwei Klipper mit Reflektoren und bildeten somit gleich, vermutlich sehr unfreiwillig, eine gruselig dreinblickende, das Maul weit aufreißende Fratze Du bist was du trägst? – „Das kleine Pony“ und das Stigma weiterlesen

Hamlet aus dem Rahmen: Der Prinz und der Klamauk

Mit der Frage, mit dem sich Theatergänger:innen stets beschäftigen müssen, nämlich mit jener, wieso man steinalte Stoffe noch immer auf die Bühne bringt, wollen wir uns in diesem Beitrag nun wahrlich nicht mehr beschäftigen und positionieren uns mit Blick auf die beiden Eingangssätze ganz deutlich im Spektrum Pro-Immer-Wieder-Shakespeare und Pro-Immer-Wieder-Hamlet, für uns völlig indiskutabel. Handfeste Beweise, warum ein stets gleicher, 400 Jahre alter Text noch immer für neuen Schwung auf der Bühne sorgt, lieferte das Rheinische Landestheater Neuss (RLT) gestern bei seiner Premiere von Hamlet. Hamlet aus dem Rahmen: Der Prinz und der Klamauk weiterlesen

Kapitel F33.1 – Ein Kammerspiel klärt auf

Am vergangenen Samstag waren wir eingeladen in die BOX, einem vergleichsweise neuen Theater der freien Szene in Köln, welches als Hybrid-Plattform zum einen eine Spielfläche für freie Künstler:innen, zum anderen aber auch Ausbildungsstätte für Studierende der Theaterakademie Köln dient. Zu sehen gab es das Kammerspiel „Kapitel F33.1“, ein Theaterstück mit etwas sperrigem Titel, will man meinen. Was findige Mediziner:innen sicherlich sofort erkennen, ist für Laien eine Kombination an Zahlen und Buchstaben. Kapitel F33.1 – Ein Kammerspiel klärt auf weiterlesen

„Ich kann warten“ – Die alte Dame besucht Tecklenburg 

Geld regiert die Welt. Alter Spruch, steht auf jedem dritten Abreißkalender in irgendeiner ähnlichen Deklination. Und passender könnte man auch kein Leitmotiv finden für Friedrich Dürrenmatts Besuch der alten Dame aus dem Jahr 1956. Das, was Literaturwissenschaftler:innen als tragische Komödie bezeichnen, nennen Musikbegeisterte, vor allem im Jahr 2022 in Tecklenburg: Musical. Und wir setzen noch einen drauf und diagnostizieren dem Stück nicht aufhören wollende Spannung, eine gestochen scharfe Analyse des menschlichen Handelns und einhundert Prozent getroffene Töne und unter die Haut gehende Musik. Wie kommen wir zu dieser Diagnose? „Ich kann warten“ – Die alte Dame besucht Tecklenburg  weiterlesen