Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)
Beitragsbild: Ana Lukenda
Kürzlich saß ich auf der Arbeit und eine Kollegin fragte mich: „Was ist eigentlich der Unterschied zwischen einem Regisseur und einem Dramaturgen?” Zugegeben, ich musste länger überlegen und antwortete schwammig: „Ich glaube der Dramaturg begleitet die Produktion mehr, sucht Texte, oder so, während der Regisseur aktiv mit den Schauspielern arbeitet.“ Zack, Wissenslücke entdeckt. Eine Steilvorlage, sich mit dem Berufsfeld zu beschäftigen und gleichzeitig jemanden zu suchen, der mir für unser neues Portrait mehr dazu erzählen kann. Umso dankbarer bin ich für das Treffen mit Julia Fischer, einer Jungdramaturgin des Schauspiel Köln, die einiges zu erzählen hatte.

Julia ist jung und theaterbegeistert. Die Leidenschaft für das Theater hat sie früh für sich entdeckt, denn ihr Vater arbeitete an der Oper. „Wenn man als kleines Mädchen über die Seitenbühne geht, nach der Vorstellung im Bühnenbild steht oder in die Maske reinschauen kann, sind das Bilder, die man faszinierend findet […] und dann hat es mich gar nicht mehr losgelassen.“ Studiert hat sie in Berlin: Deutsche Literatur und Medienwissenschaften. Während ihres Studiums hat sie bereits einige Hospitanzen in Berlin absolviert. Die Fächerkombination klingt zwar nicht unbedingt nach einer Theaterlaufbahn, doch gerade im Bereich Dramaturgie ist sie Gold wert, gerade weil es immer noch keine geradlinige Ausbildung für viele Theaterberufe gibt. Allerdings werden inzwischen an Universitäten immer mehr Studiengänge oder zumindest Studienfächer angeboten, so auch im Bereich Dramaturgie. Doch was im Theater auch hoch angerechnet wird ist die Praxiserfahrung. So sieht es auch Julia: „Ich bin froh, dass ich kein Dramaturgiestudium gemacht habe, sondern Learning-By-Doing.“ Und wie landete Julia dann in Köln? Zunächst ist sie gebürtige Kölnerin, nach dem Studium zog es sie wieder in die Heimat. „Wie das im Theater häufig ist, ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort und hatte den Fuß drin […].“
Als Dramaturgieassistentin – so lautet noch ihre offizielle Berufsbezeichnung – hat Julia in den letzten drei Jahren (dies ist ihre letzte Spielzeit am Schauspiel Köln) viel gelernt. Als ich sie nach dem Zusatz Assistentin frage schmunzelt sie. Nein, sie muss nicht den Kaffee ihrer Chefin holen, im Gegenteil: schnell durfte sie mit ran und die üblichen Aufgaben einer Dramaturgin übernehmen. Wenn man schon in einem solchen Bereich arbeite, dann wolle man früher oder später natürlich auch selbst die Verantwortung übernehmen. Aber was macht denn nun ein Dramaturg/ eine Dramaturgin den ganzen Tag?
Zunächst einmal muss man die innere (innerhalb eines Theaterhauses, z.B. Betreuung der Produktionen, Spielplangestaltung) und die äußere (Außenwirkung, z.B. Redaktion der Publikation, Einführungen) Arbeit unterscheiden. Als Dramaturg arbeitet man eng mit verschiedensten Abteilungen zusammen.
In der Produktion selber beispielsweise mit der Regie. Als Dramaturg ist es nicht unüblich, dass man der Regie einiges an Planung für die Produktion abnimmt. Das bedeutet man befasst sich mit der Textsuche, bzw. mit der Beschaffung von Rechten, eventuell auch mit der Erarbeitung einer Bühnenfassung. Im Rahmen der Proben ist die Dramaturgie inhaltlich und gestalterisch beteiligt, man sammelt unter anderem vielfältiges Hintergrundmaterial und steht für alle möglichen Fragen der Regie und der Schauspieler zur Verfügung.
Die Dramaturgie ist auch für Besetzungen und die Programmgestaltung zuständig. Man prüft welche Darsteller zur Verfügung stehen. Wer könnte welche Rolle ausfüllen? Welche Regisseure sind interessant? Welche Stücke sind aktuell? Was für Themen will man untersuchen? Gemeinsam mit der Intendanz stellen die Kollegen der Dramaturgie den Spielplan eines Theaterhauses zusammen. Ein großes Puzzle, das Stück für Stück bei der Spielplanplanung zusammengefügt wird. Im Austausch mit Regie und Ensemble ist dann in jedem Fall Fingerspitzengefühl gefragt. „Ein Sinn für Diplomatie ist gut“, so Julia.
Die Dramaturgie ist also nur ein Job mit Planungsarbeit? Definitiv nein. Julias persönliches „Herzstück“ sind die Proben. Sie versucht so oft es geht bei Proben dabei zu sein, nicht bloß bei den Endproben. Dies ist wichtig um die Entwicklung eines Stücks beurteilen zu können, auch wenn diese Zeit immer sehr kräftezehrend ist. „Gerade bei den Endproben habe ich häufig Tage, an denen ich von 10 bis 23 Uhr im Theater bin. Dann muss man sich selber einen zeitlichen Ausgleich suchen.“ Ein zeitintensiver Job, aber: „Am Theater kann man nicht sein, wenn man nicht auch so ein Leben führen will.“
Ohne Büroarbeit geht es allerdings nicht. Wie bereits beschrieben, gibt es auch die Phasen der Spielplanplanung. Doch gerade das macht für Julia ihren Job aus. „Einerseits hat man den Büroalltag, andererseits betreut man die Produktionen. Da muss man ein Gespür entwickeln, wann man bei einer Probe dabei sein, oder wann man im Büro sein muss.“
Ist man denn als Dramaturg nur ein stiller Beobachter oder darf man auch seinen Senf in den Produktionen dazugeben? Laut Julia kommt das immer auf die Regie einer Produktion an: „Ja natürlich, man muss seinen Senf dazugeben! Aber das Ausmaß ist unterschiedlich. Es kommt auch darauf an, wie es miteinander funktioniert, wie sehr sich Regisseurinnen und Regisseure austauschen wollen.“
Auf die Bühne hat es Julia nie wirklich gezogen. Ausprobiert hat sie es trotzdem. „Man kommt ja gar nicht drum herum. Wenn man jung ist und sich für Theater interessiert, geht man in einen Jugendclub.“ Als Kölnerin war Julia damals natürlich Mitglied im Jugendclub des Schauspiel Köln. Zwar war sie vom Ablauf, dem Ergebnis und der Umsetzung angetan, doch das Schauspiel, das hat es ihr nicht angetan. „Ich habe mal für ein Projekt auf der Bühne gestanden und das war so gar nicht meins. Mich interessiert die Welt, die Leute und die Geschichten, die man erzählt, aber mich interessiert es nicht selber auf der Bühne zu stehen. […] Ich habe aber Respekt vor den Schauspielerinnen und Schauspielern, sie haben auch später noch einen harten Weg vor sich.“

Aus diesem Grund ist die Dramaturgie für sie ein guter Mittelweg. Man hat den Kontakt zur Regie, den Schauspielern, den Technikern, aber auch zur eigenen Marketingabteilung, der Intendanz oder dem KBB (Künstlerisches Betriebsbüro). Gefühlt bekommt man etwas von jedem Berufsfeld mit. Man darf selbst an Produktionen mitwirken, ohne dabei später selbst auf der Bühne stehen zu müssen. Außerdem ist man nicht zu sehr an den Kontakt in einem Bereich gebunden. „Es ist ein organisches Zusammenarbeiten.“ Zurückblickend auf ihre nun fast drei Spielzeiten kann Julia auch unterstreichen, dass das Theater immer noch eine bunte Welt ist, in der es viel zu entdecken gibt: „Man hört nie auf zu lernen und kann immer neu anfangen.“ Dies sagt sie einerseits mit Blick auf die unterschiedlichen Produktionen, an denen sie mitgewirkt hat, aber auch mit dem Hintergedanken, dass ihre Zeit am Schauspiel Köln bald endet. Wo es anschließend hingeht, weiß sie noch nicht. Was sie weiß ist, dass verschiedene Blickwinkel wichtig sind und deshalb freut sich Julia schon jetzt auf die neuen Aufgaben, die kommen werden.
Eines ihrer letzten Projekte wird die Zusammenarbeit mit der freien Gruppe subbotnik sein. Anlässlich des 200. Geburtstags Karl Marx‘ setzt sich die Theatergruppe mit seinem Werk auseinander. Behandelt werden soll beispielsweise sein berühmtes Werk „Das Kapital“ oder was Marx wohl sagen würde, wenn er zu Gast auf seiner 200. Geburtstagsfeier wäre. Julia findet die Arbeit mit subbotnik faszinierend und inspirierend, gerade weil das deutsch-russisch-ukrainische Trio fast alles selbst regelt: Bühne, Kostüm, Regie, Musik und Schauspiel. Allerdings kann Julia heute noch nicht sagen, wie sich das Stück weiterentwickelt, sie stecken noch im Beginn der Probenzeit. Umso gespannter sind wir auf die Uraufführung von Wir sind Affen eines kalten Gottes, über die wir auch berichten werden.
Zuletzt hat Julia auch noch einen wichtigen Tipp für alle, die sich nun mehr zum Thema Dramaturgie informieren möchten: „Wir bieten regelmäßig Dramaturgiehospitanzen an. Da bekommt man die eine Hälfte von der Dramaturgie mit: die Produktion. Es ist ein toller Weg, um schon mal reinzukommen.“ Learning-By-Doing eben, der beste Weg um für sich selbst herauszufinden ob man in dem Berufszweig am Theater richtig ist oder nicht. Man muss sich lediglich bei Ausschreibungen bewerben.
Was bleibt nun? Julia ist eine unfassbar tolle, junge Frau mit viel Energie für das Theater. Sie zeigt, dass in der Theaterwelt auch Platz für Leute ist, die nicht unbedingt das große Rampenlicht suchen, aber gerne dicht am Geschehen dabei sein wollen. Das macht Mut und vor allem Spaß. Sie zeigt uns, dass Dramaturgie ein weites Feld ist, in dem man sich aber auch selbst entfalten kann. Das einzige was es braucht um den Einstieg zu finden ist ein ausgeprägtes Interesse am Theater, Bock auf den Kontakt zu vielen verschiedenen Menschen und vor allem ein bisschen Mut ein Feld zu beackern, für das es aktuell noch nicht einen fest definierten Werdegang gibt, wie beispielsweise bei einer Ausbildung zu einem Industriekaufmann. Wir sind uns jedenfalls sicher: von Julia werden wir auch in Zukunft noch hören und nun warten wir gespannt auf den 04. Mai, wenn das Stück über Karl Marx seine Uraufführung feiert.
Wenn ihr auch einen coolen Theatermenschen kennt, der hier porträtiert werden sollte, zögert nicht, uns anzuschreiben: kontakt@theaterwg.de
Ein Gedanke zu “Aprilportrait: More Drama Baby! – Julia Fischer, Jungdramaturgin am Schauspiel Köln”