Komödie mit Tempo – Shakespeare in Love in Neuss

Titelfoto: Marco Piecuch (zu sehen ist das Ensemble)
Text: Werner Alderath (werner.alderath@theaterwg.de)

Hier ist er wieder: William Shakespeare. Doch dieses Mal sehen wir nicht ein Stück von, sondern über ihn, denn der gute alte Will steckt in einer Krise. Bereits im September 2021 feierte Shakespeare in Love am Rheinischen Landestheater in Neuss Premiere, nun wurde das Stück für das Shakespeare Festival in Neuss noch einmal wiederaufgenommen. Von Krise kann ich Neuss nicht die Rede sein, im Gegenteil: Gut besetzte Ränge im Nachbau des wohl berühmtesten Theaters der Welt zeigen, dass das Publikum bereit ist die Fassung in der Regie von Thomas Goritzki zu sehen.

Die Muse möchte William Shakespeare nicht mehr küssen, er hat weder Geld noch Ideen, soll aber bald ein Stück in London aufführen. Romeo und Ethel, die Piratentochter heißt sein erster Entwurf, den er Richard Burbarge, dem Besitzer des Curtain Theatre versprochen hat. Parallel möchte Burbarges Konkurrent Philip Henslowe, dem das Rose Theater gehört, ebenfalls Shakespeares Stück auf die Bühne bringen, um seine Schulden zu bezahlen. Was nach einer komfortablen Ausgangslage für Shakespeare klingt ist das komplette Gegenteil, denn Shakespeare bekommt keine Ideen für sein neues Stück. Ausgerechnet sein Konkurrent, aber auch Freund, Marlowe liefert William die ersten Ideen und unterstützt ihn immer wieder. Als dann bei einem katastrophalen Vorsprechen Thomas Kent, alias Viola, Tochter und Adlige aus reichem Hause, in Shakespeares Leben tritt, beginnt eine abenteuerliche Geschichte, die dem Publikum nach und nach die Entstehung von Romeo und Julia aufzeigt. Doch trotz aller komödiantischen Elemente gibt es auch tragische Momente in diesem Drama, das 2014 uraufgeführt wurde und dem gleichnamigen Film von 1998 nachempfunden ist.

Hinten: Johannes Bauer, Anna Lisa Grebe, Philippe Ledun, Benjamin Schardt; Vorne: Ulrich Rechenbach, Petr Waros (Bild: Marco Piecuch)

Obwohl das Theaterstück eine fiktive Geschichte erzählt gibt es viele Elemente, die man als Theatermacher:in wiedererkennen kann und Thomas Goritzki scheut sich nicht auch einige aktuellere Spitzen in das Stück einfließen zu lassen. Einerseits ist die Inszenierung eine Hommage an das Theater, stellt aber auch klar heraus, mit welchen Problemen das Theater zu kämpfen hat. Fast schon nebenher wird auch der Umstand aufgearbeitet, dass im elisabethanischen Zeitalter Shakespeares Stücke nur von Männern gespielt wurden, da Frauen zu dieser Zeit noch nicht auf der Bühne stehen durften. Später wird bei einer weiteren chaotischen Probe von Shakespeares Stück der reduzierte Einsatz von Darsteller:innen, Kostüm und Requisite nur mit den Worten „Wir sind eben nur ein Landestheater“ kommentiert, sehr zur Erheiterung des Publikums.

Doch eben dieses Landestheater in Neuss zeigt eindrucksvoll, wie sie den schmalen Grat zwischen Komödie, Liebesgeschichte und in Teilen sogar einer Tragödie, meistert. Unverkennbar ist dabei Goritzkis Handschrift, der schon in der Inszenierung von Molières Der Geizige 2020 seinen Hang zur Übertreibung gezeigt hat. Doch bei aller Übertreibung bei allem Tempo gibt es immer wieder auch die ruhigen, die stillen Momente, beispielsweise als Viola (Antonia Schirmeister) und Shakespeare (Ulrich Rechenbach) sich ihre Liebe gestehen. An diesem Abend, möchte man sagen, passt alles zusammen. Auf der Bühne sehen wir ein Ensemble, das vor Energie sprüht, das toll zusammenspielt, sodass man nur Spaß haben kann.

Hinten: Antonia Schirmeister, Benjamin Schardt; Vorne: Anna Lisa Grebe (Bild: Marco Piecuch)

Wie so oft bei Inszenierungen, die man versucht aktuell zu halten, kann man gewisse Elemente mögen oder nicht mögen, das sei jedem selbst überlassen. Doch ein Bühnenumbau mit vier Männern, die lediglich einen Holztisch auf die Bühne tragen, dabei bunte Mützen tragen und sich am Vorhang mit dem typischen gequäkten „Guten Abend“ in guter, alter Mainzelmännchen-Manier vom Publikum verabschieden, muss man zugeben: Humor hat diese Produktion. Irgendwo nimmt sie sich auch selbst auf den Arm, verliert dabei aber nie den Fokus auf die eigene Geschichte. Es sind – teils sehr überraschende – Momente, die einem immer wieder ein Schmunzeln oder ein lautes Lachen entlocken. Das merkt auch das Ensemble und genießt dies. Zurecht, wie wir finden.

Ulrich Rechenbach und Antonia Schirmeister überzeugen während der gesamten Aufführung mit ihrem Spiel und beweisen ein enormes Feingefühl für die Stimmungswechsel in der Inszenierung. Anna Lisa Grebe führt das Publikum als Art Traumgestalt wie eine Erzählerin durch die Inszenierung. Dabei hat sie immer wieder auch Soloauftritte, die sie unterhaltsam füllt, ohne dass sie zu lang oder gar zu abgedroschen wirken. Johannes Bauer macht sich vor allem als Lord Wessex wenig Freunde in den Rängen, denn dieser möchte Viola unbedingt heiraten, dafür ist ihm jedes Mittel recht. Dass man Bauer teilweise widerlich und abstoßend findet zeugt jedoch von seinem überzeugenden Spiel. Auch die anderen Darsteller:innen glänzen in verschiedenen Rollen und haben so die Chance genutzt verschiedene Facetten von sich und ihrem Spiel zu zeigen. Ob Benjamin Schardt als Geldeintreiber Fennyman oder stimmgewaltiger Vorsprecher, Philippe Ledun u.a. als Sam, der in Shakespeares Inszenierung die Julia verkörpern soll, Hergard Engert, die u.a. als Amme von Viola mit ihrer herzlichen und beschützenden Art das Publikum überzeugt, Peter Waros u.a. als Shakespeares Konkurrent und Freund Marlowe und seiner einfühlsamen, aber auch komödiantischen Art oder Carl-Ludwig Weinknecht u.a. als Theaterbesitzer Henslowe, der immer auf der Suche nach dem Hund in Shakespeares Stück ist. Rundum eine tolle Ensembleleistung.

Ensemble (Bild: Marco Piecuch)

Das Bühnenbild hingegen ist eher schlicht gehalten, einige rote Vorhänge und weiße Tücher, die ebenfalls bespielt werden und verschiedene Requisiten, wie Stühle und Tische. Die Kostüme (Bühne und Kostüme: Heiko Mönnich) hingegen sind etwas aufwendiger und dem elisabethanischen Zeitalter entsprechend, sodass es vollkommen ausreicht, um die richtige Atmosphäre zum Stück entstehen zu lassen, was auch durch passende und wohlklingende Musikeinsätze (Henning Brand, Anna Lisa Grebe und Frank Wingold) unterstützt wird.

So viel Begeisterung und keine Kritik? Nein, tatsächlich nicht. Durchaus ist es Geschmackssache, ob man das übertriebene Spiel und die Handschrift Goritzkis mag, ob es unbedingt notwendig ist, dass verschiedene Elemente, wie das Spiel mit den Vorhängen oder einige Gags immer und immer wiederholt werden. Doch finden wir, dass gerade das einem Stück von einer Länge von knapp zwei Stunden und zehn Minuten genau die richtige Dynamik verpasst, damit man ihm gut folgen kann. Am Ende fühlten wir uns abgeholt, gut unterhalten und haben uns in den Spitzen rund um das Theater auch wiedererkennen können, denn wer selbst schon mal Teil eines Entstehungsprozesses eines Stückes war, der oder die weiß nur zu gut, mit welchen Tücken und Stolperfallen man alles zu kämpfen hat.

Das Stück wird am 11. Juni noch ein letztes Mal in Monheim aufgeführt hat. Infos dazu gibt es auf der Website des Theaters.


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